Silver Linings (German Edition)
geblieben ist, mir eine Dauerkarte besorgt hat und auch die Play-off-Karten bezahlen will, die ziemlich teuer sind. Und ich weiß, Jake hat mir verziehen, dass er meinetwegen das zweite Spiel gegen Dallas verpasst hat, weil er mich ebenfalls umarmt und sagt: «Kein Problem, großer Bruder. Wir halten zusammen. Immer. Das weißt du doch.»
Nachdem Jake gegangen ist, trinken wir noch eine halbe Stunde oder so weiter Bier, aber schließlich geben viele von den Jungs zu, dass auch sie Silvesterpläne mit ihren Frauen haben, und ich fahre mit der Asian Invasion im Bus zurück nach New Jersey.
Die Eagles haben die letzten fünf Spiele gewonnen und die Play-offs erreicht, daher lässt Ashwini sich nicht davon abhalten, auf die Hupe zu drücken, als er vor dem Haus meiner Eltern hält, und als der ohrenbetäubende Schlachtruf ertönt, kommt prompt meine Mutter an die Tür.
Dann stehen Mom und ich vor dem Haus und winken dem grünen Bus hinterher.
Gemeinsam als Familie essen wir ein spätes Silvesterdinner, doch trotz eines weiteren Sieges der Eagles und Hoffnung auf den Super Bowl ist mein Vater einsilbig, und noch ehe Mom zu Ende gegessen hat, steht er auf und verschwindet in sein Arbeitszimmer, wahrscheinlich um einen historischen Roman zu lesen.
Kurz bevor die leuchtende Times-Square-Kugel auf Dads riesigem Flachbildfernseher unten landet, fragt mich Mom, ob ich Lust habe, nach draußen zu gehen und mit Töpfen und Pfannen Krach zu machen wie früher als Kind. Ich sage Mom, dass ich eigentlich keine Lust habe, mit Töpfen und Pfannen Krach zu machen, vor allem, weil ich müde bin, nachdem ich den Tag draußen in der Kälte verbracht habe, also schauen wir von der Couch aus zu, wie die Leute auf dem Times Square jubelnd das neue Jahr begrüßen.
Aus 2006 wird 2007.
«Das wird ein gutes Jahr für uns», sagt Mom und ringt sich ein Lächeln ab.
Ich erwidere Moms Lächeln, nicht weil ich glaube, dass es ein gutes Jahr wird, sondern weil mein Vater vor einer Stunde ins Bett gegangen ist, Nikki nicht zurückgekommen ist, nicht einmal das geringste Anzeichen darauf hindeutet, dass 2007 für Mom oder für mich ein gutes Jahr wird, und Mom dennoch versucht, den Silberstreifen am Horizont zu finden, von dem sie mir vor so langer Zeit erzählt hat. Sie klammert sich noch immer an die Hoffnung. «Es wird ein gutes Jahr», sage ich.
Als Mom auf der Couch einschläft, schalte ich den Fernseher aus und schaue zu, wie sie atmet. Sie sieht noch immer hübsch aus, und wie ich sie da so friedlich liegen sehe, werde ich wütend auf meinen Dad, auch wenn ich weiß, dass er sich nicht ändern wird, aber ich wünschte, er würde wenigstens versuchen, Mom mehr zu schätzen, und mit ihr öfter schöne Sachen unternehmen, vor allem, wo er nicht mal mehr Grund hat, wegen der Eagles mies drauf zu sein, denn die Saison ist für sie bereits ein Erfolg, egal, was in den Play-offs passiert, zumal sie es ohne McNabb so weit gebracht haben. Und trotzdem halte ich es für unwahrscheinlich, dass mein Vater sich ändert, weil ich ihn seit fünfunddreißig Jahren kenne und er schon immer so war.
Mom zieht Knie und Ellbogen dicht an den Körper und fängt an zu zittern, also hieve ich mich hoch, nehme meine Krücken und humpele damit rüber zum Schrank. Ich ziehe unten aus dem Schrank eine Wolldecke, humpele auf Krücken zurück zu Mom und decke sie zu – doch sie zittert weiterhin. Zurück am Schrank, sehe ich auf der obersten Ablage eine dickere Decke und zerre sie herunter. Sie plumpst mir auf den Kopf, doch unmittelbar davor höre ich, wie irgendwas zu Boden fällt. Ich blicke nach unten, und vor meinen Füßen liegt eine Videokassette in einer weißen Plastikhülle, auf der zwei läutende Glocken abgebildet sind.
Ich humpele an den Krücken zurück zu meiner Mutter und breite die dickere Decke über sie.
Ich habe Mühe, die Kassette aufzuheben, weil ich mit dem Gipsbein nicht in die Hocke gehen kann – es gelingt mir schließlich, indem ich mich auf den Boden setze. Ich rutsche hinüber zum Fernseher, schiebe die Kassette in den Videorekorder. Ich vergewissere mich mit einem Blick über die Schulter, dass Mom tief schläft, und dann drücke ich auf PLAY und drehe die Lautstärke etwas runter.
Das Video ist nicht ganz zurückgespult, und die Stelle, die auf dem Bildschirm erscheint, ist der Anfang des Hochzeitsessens. Unsere Gäste sitzen im Bankettsaal des Glenmont Country Club, einem Golfklub in einem gepflegten kleinen Ort außerhalb von
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