Silver Linings (German Edition)
Überhaupt nicht.»
«Wirklich nicht?», frage ich, weil ich weiß, dass Cliff wahrscheinlich alle meine jüngsten Verfehlungen in einer Akte festhalten wird, sobald ich fort bin. Dass er wahrscheinlich glaubt, als mein Therapeut versagt zu haben – zumindest in dieser Woche.
Cliff steht auf, lächelt mich an und blickt durch das Erkerfenster auf die Spatzen, die in dem Vogelbecken ein Bad nehmen.
«Pat, ehe Sie gehen, möchte ich Ihnen etwas sehr Wichtiges sagen. Dabei geht es um Leben und Tod. Hören Sie mir zu? Ich möchte nämlich wirklich, dass Sie sich das einprägen. Okay?»
Ich bekomme es mit der Angst zu tun, weil Cliff so streng wirkt, aber ich schlucke, nicke und sage: «Okay.»
Cliff dreht sich um.
Cliff sieht mich an.
Sein Gesicht ist ernst, und einen Moment lang bin ich sehr nervös.
Aber dann reckt Cliff die Hände in die Luft und schreit: «Ahhhhhhhhh!»
Ich lache, weil Cliff mich mit seinem lustigen Scherz reingelegt hat. Sofort stehe ich auf, werfe die Hände in die Luft und schreie: «Ahhhhhhhhh!»
«E!-A!-G!-L!-E!-S! Eagles!», rufen wir im Chor, recken Arme und Beine, um jeden Buchstaben mit dem Körper zu bilden, und ich muss sagen – so dumm das auch klingen mag –, mit Cliff den Schlachtruf zu skandieren tut mir unglaublich gut. Und dem Lächeln in seinem kleinen braunen Gesicht nach zu schließen, weiß er, wie viel es mir bedeutet, was er für mich tut.
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Sehr behutsam austariert, als könne das ganze Ding umkippen, wenn später im Herbst das Heizungsgebläse anspringt
Ich bin im Keller, als ich meinen Dad oben sagen höre: «Der kommt dahin, auf den Tisch.» Drei Paar Füße bewegen sich über den Wohnzimmerboden, und gleich darauf höre ich, wie etwas Schweres abgestellt wird. Nach gut fünfzehn Minuten dröhnt die Geräuschkulisse von College-Football durch die Kellerdecke – Big-Band-Musik, massenhaft Trommeln, grölende Kampfgesänge –, und ich begreife, dass mein Vater den kaputten Fernseher ersetzt hat. Ich höre die Schritte der Auslieferer aus dem Haus gehen, und dann dreht Dad den Ton so laut auf, dass ich jedes Wort der Kommentatoren verstehe, obwohl ich im Keller bin und die Kellertür geschlossen ist. Ich schau mir nie College-Football an, deshalb kenne ich weder die Namen der Spieler noch die Teams, um die es da oben geht.
Ich mache einige Sit-ups und höre einfach bloß zu, hoffe aber insgeheim, dass Dad runter in den Keller kommt, um mir von dem neuen Fernseher zu erzählen, und mich fragt, ob ich Lust habe, das Spiel mit ihm zusammen anzuschauen. Aber er kommt nicht.
Etwa eine halbe Stunde nachdem die Auslieferer gegangen sind, wird die Lautstärke runtergedreht, und ich höre Mom fragen: «Was zum Teufel ist das?»
«Das ist ein HD-Fernseher mit Surround-Sound», antwortet mein Dad.
«Nein, eine halbe Kinoleinwand ist das, und …»
«Jeanie …»
«Komm mir jetzt nicht mit Jeanie.»
«Ich arbeite schwer für mein Geld, und ich lass mir von dir nicht vorschreiben, wie ich es auszugeben habe!»
«Patrick, das Ding ist lächerlich. Es passt ja nicht mal richtig auf den Fernsehtisch. Wie viel hast du dafür bezahlt?»
«Ist doch egal.»
«Du hast den alten Fernseher zerdeppert, damit du dir einen größeren kaufen kannst, hab ich recht?»
«Herrgott noch mal, Jeanie. Würdest du bitte endlich aufhören zu meckern.»
«Wir haben einen Haushaltsplan. Wir haben abgemacht …»
«Schon gut. Okay. Wir haben einen Haushaltsplan.»
«Wir haben abgemacht, dass …»
«Wir haben Geld, um Pat durchzufüttern. Wir haben Geld, um Pat neu einzukleiden. Wir haben Geld, um Pat ein eigenes Fitnessstudio einzurichten. Wir haben Geld für Pats Medikamente. Dann haben wir meiner Ansicht nach auch Geld für einen neuen Fernseher, verdammt noch mal.»
Ich höre die Schritte meiner Mutter, die aus dem Wohnzimmer geht. Kurz bevor mein Vater das Spiel wieder laut stellt, höre ich sie die Treppe hinaufstapfen, und ich weiß, dass sie ins Schlafzimmer gehen und weinen wird, weil mein Vater sie wieder mal angeschnauzt hat.
Und ich bin schuld, dass sie knapp bei Kasse sind.
Ich fühle mich furchtbar.
Ich mache Sit-ups auf dem Stomach Master 6000, bis es Zeit für meinen Lauf mit Tiffany wird.
Als ich schließlich nach oben gehe, sehe ich, dass Dads Fernseher so ein neues Flachbildschirmmodell ist, für das Werbung gemacht wurde, als die Eagles gegen Houston gespielt haben. Er ist riesig; der Standfuß ist so breit wie das mittlere
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