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Simulacron-Drei

Simulacron-Drei

Titel: Simulacron-Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel F. Galouye
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simulierte Qualen erlitten. Aber schließlich lebten alle Sadisten von dem seelischen Genuß am Leiden, und in einer simulektronischen Umgebung war die subjektive Qualität der einprogrammierten Quälerei genauso real wie die seelische Reaktion auf tatsächliche Folterungen in einer nur physischen Welt.
    Ich begann Jinx’ Einstellung, ihre Motive und Reaktionen zu begreifen.
    »Wann hast du erfahren, daß der ›Steuermann‹ sein simulektronisches Äquivalent in seine Maschine einprogrammiert hat?«
    »Als ich mich auf diese Projektionsaufgabe vorbereitete.«
    »Warum, glaubst du, hat er es getan?«
    »Zuerst verstand ich es gar nicht. Aber jetzt weiß ich Bescheid. Das hängt mit unbewußten Motiven zusammen. Eine Art Dorian-Gray-Effekt. Eine masochistische Komponente. Aber wahrscheinlich wurde ihm gar nicht klar, daß er sich mit einem Analog-Ich ausstattete, an dem er seinen Schuldkomplex auslassen konnte.«
    »Wie lange bin ich schon hier unten?«
    »Zehn Jahre – mit ausreichender Retroprogrammierung, um dir eine plausible Vergangenheit zu verleihen.«
    »Wie alt ist der Simulator selbst?«
    »Fünfzehn Jahre.«
    Ich sank verwirrt und erschöpft in den Sessel. Die Wissenschaftler hatten Jahrhunderte lang Gesteinsformationen untersucht, Sterne betrachtet, Fossilien ausgegraben, die Oberfläche des Mondes erforscht, um ihre völlig logische Theorie aufzustellen, daß diese Welt fünf Milliarden Jahre alt war. Dabei waren sie genauso im Irrtum gewesen. Es war einfach lächerlich.
    Draußen breitete sich der erste Hauch der Dämmerung in einer schmalen Sichel über dem Horizont aus. Ich konnte jetzt beinahe verstehen, wie Jinx jemanden zu lieben vermochte, der nicht wirklich existierte.
    »Du hast mich zum erstenmal in Fullers Büro gesehen«, sagte ich leise, »und begriffen, daß ich eher der Douglas Hall war, in den du dich verliebt hattest, als der dort oben?«
    »Ich hab’ dich vorher viele Male gesehen, als ich mich auf die Projektion vorbereitete. Jedesmal studierte ich dein Benehmen, hörte deine Worte, verfolgte deine Gedanken. Ich wußte, daß der Doug Hall, den ich oben an seinen Simulator verloren hatte, jetzt hier unten war.«
    Ich ging hinüber und nahm ihre Hand. Sie überließ sie mir fast willenlos.
    »Und jetzt willst du bei mir bleiben?« fragte ich ironisch.
    »So lange ich kann. Bis zum Ende.«
    Ich hatte sie in ihre eigene Welt zurückschicken wollen, aber unabsichtlich erinnerte sie mich daran, daß ich ihr die allerwichtigste Frage noch gar nicht gestellt hatte.
    »Hat sich der ›Steuermann‹ schon entschieden, was er wegen Fullers Simulator unternehmen will?«
    »Es gibt nichts, was er tun könnte. Die Kontrolle ist ihm entglitten. Beinahe alle Reaktions-Einheiten hier wollen Fullers Maschine schützen, weil sie glauben, ihre Welt könne sich dadurch in ein Utopia verwandeln.«
    »Dann wird er ihn also vernichten?« fragte ich entsetzt.
    »Er muß. Es gibt keinen anderen Weg. Ich habe es bei meinem letzten Auftritt oben erfahren.«
    »Wieviel Zeit bleibt uns noch?« fragte ich bedrückt.
    »Er wartet nur noch die reine Formalität einer Besprechung mit dem beratenden Direktorium ab. Das wird er heute vormittag erledigen. Dann schaltet er endgültig ab.«
     

17
    Die Helligkeit des Tages stieg zum Himmel empor, während ich am Fenster stand und sah, wie die Stadt zum Leben erwachte. Hoch oben schwebte eine Reihe von Armeeflugwagen vorbei, offenbar Wachablösung für das nur ein paar Häuserblocks entfernte TEAG-Gebäude heranbringend.
    Wie unwichtig und nutzlos das alles war! Wie naiv und ahnungslos die Scheinwesen draußen herumliefen.
    Für uns war der Jüngste Tag angebrochen, aber nur ich wußte es.
    Den Augenblick zuvor würde das Leben in normalen Bahnen verlaufen – mit Leuten, die sich auf den Rollbändern drängten, mit dichtem Verkehr. Im Wald würden die Bäume wachsen, und die Tiere äsen. Die sanften Wellen des Sees würden gegen den Strand schlagen.
    Einen Augenblick später würde die ganze Illusion zerfallen. Das endlose Fließen der lebenerhaltenden Energieströme würde in Myriaden von Umwandlern plötzlich erstarren, im Sprung von Kathode zu Anode aufhören, im atemlosen Rasen über die Kontaktpunkte Tausender von Elektronenspeichern stillstehen. In diesem Augenblick würde die anheimelnde und überzeugende Wirklichkeit ausgelöscht werden – ein ganzes Universum in einem einzigen, endgültigen Augenblick totaler simulektronischer Entropie verloren sein.
    Ich

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