Simulacron-Drei
gesorgt hatte, durchsuchte ich eine Woche lang die Elektronenspeicher nach Hinweisen auf seine ›Entdeckung‹. Wir…«
Ich unterbrach sie.
»Du mußt doch gesehen haben, daß er die Information an Morton Lynch weitergegeben hatte.«
Sie starrte vor sich hin. Wieder hatte ich vergessen, meine Worte in Frageform zu kleiden.
»Hast du nicht gesehen, daß er die Information an Lynch weitergegeben hatte?«
»Ja.«
»Warum ist Lynch nicht sofort ausgelöscht worden?«
»Weil das die Umorientierung vieler Reaktions-Subjekte erfordert hätte.«
»Ihr habt sie ja doch umorientieren müssen, als ihr dazu gezwungen wart, Lynch völlig zu deprogrammieren.«
Ich wartete, bis mir klar wurde, daß ich wieder nur etwas festgestellt hatte. Ich formulierte neu:
»Warum wolltet ihr diese Welt nicht auf die Tatsache umorientieren, daß es Lynch nie gegeben hatte?«
»Weil es so aussah, als würde er Fullers Mitteilung für sich behalten. Wir nahmen an, er werde sich davon überzeugen, daß er sich nur eingebildet habe, von Fuller darüber unterrichtet worden zu sein, daß seine Welt – nichtig war.«
Ich schwieg eine Weile, um nachzudenken.
»Du wolltest mir sagen, wie Fullers Zeichnung verschwand. Erklär das genau!«
»Bei der Durchsuchung der Speicherzellen erfuhren wir von der Skizze. Als ich die TEAG aufsuchte, um seine persönlichen Sachen abzuholen, sollte ich auch nach anderen Dingen Ausschau halten, die uns vielleicht entgangen waren. Der ›Steuermann‹ entschloß sich, die Zeichnung sofort verschwinden zu lassen, damit wir die Wirksamkeit des Tilgungsmodulators überprüfen konnten.«
Wieder ging ich hin und her, überzeugt, endlich die volle Wahrheit zu erfahren. Aber ich wollte alles wissen. Vielleicht konnte ich dadurch erfahren, wie es mir gelingen konnte, dem ›Steuermann‹ zu entkommen.
»Wenn du dort oben eine wirkliche Person bist, sage bloß: wie kannst du hier unten eine Projektion deines Ichs aufrechterhalten?«
Diese Frage war von der plötzlichen Erkenntnis angeregt, daß ich nicht auf unbegrenzte Zeit in Fullers Simulator hatte bleiben können.
Sie erwiderte mechanisch, ohne eine Spur von Interesse oder Gefühl: »Jede Nacht kehre ich, statt zu schlafen, nach oben zurück. Während der Tageszeit, zu der man logischerweise annehmen kann, daß ich mit Reaktions-Subjekten hier nicht in Kontakt stehe, ziehe ich mich zurück.«
Das war logisch. Die Zeit auf einer Projektionsliege entsprach soundsoviel Schlafstunden. Die biologische Forderung nach Ruhe war also erfüllt. Während sie sich aus dieser Welt zurückgezogen hatte, konnte sie ihren anderen körperlichen Bedürfnissen entsprechen.
Ich stellte ihr endlich die entscheidende Frage.
»Wie erklärst du, daß du in mich verliebt bist?«
Ohne besondere Betonung erwiderte sie: »Du gleichst einem Wesen, das ich dort oben einmal geliebt habe.«
»Wem?«
»Dem ›Steuermann‹.«
Irgendwie spürte ich, daß sich jetzt etwas Wichtiges vorbereitete. Ich erinnerte mich, daß ich bei den letzten Empathieverbindungen mit dem Großen Simulektroniker den Eindruck gehabt hatte, eine starke Ähnlichkeit spüren zu können.
»Wer ist der ›Steuermann‹?«
»Douglas Hall.«
Ungläubig riß ich die Augen auf.
»Ich?«
»Nein.«
»Aber das hast du doch gerade gesagt!«
Schweigen – als Reaktion auf eine Feststellung.
»Wie kann der ›Steuermann‹ ich und dann doch nicht ich sein?«
»Das entspricht etwa dem, was Dr. Fuller mit Morton Lynch gemacht hat.«
»Ich verstehe nicht.«
Als sie nicht reagierte, fügte ich hinzu: »Erklär mir das!«
»Fuller hat aus Spaß Lynch als Reaktions-Einheit in seinen Simulator einprogrammiert. Douglas Hall stellte sich als ein Subjekt in seinen Simulator.«
»Du meinst, daß ich dem Großen Simulektroniker genau gleiche?«
»Bis zu einem gewissen Grade. Die physische Ähnlichkeit ist vollkommen, aber die psychologischen Eigenheiten haben sich verschieden entwickelt. Ich begreife jetzt, daß der Hall dort oben größenwahnsinnig ist.«
»Und das ist der Grund, warum du ihn nicht mehr liebst?«
»Nein. Es war lange vorher zu Ende. Er veränderte sich schon vor Jahren. Ich vermute auch, daß er andere Reaktions-Einheiten gequält hat. Zuerst gequält und dann deprogrammiert, um alle Hinweise darauf in ihren Speicherschaltkreisen zu löschen.«
Ich ging zum Fenster und starrte den Morgenhimmel an. Irgendwie war das einfach unlogisch – daß eine wirkliche Person es genoß, wenn irreale Wesen
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