Sind wir bald da
nur immer wem anderen. Jetzt ersetzen Sie »Geld« durch »Führerscheine« und Sie wissen, was ich meine.)
Heute bin ich auf der Suche nach dem ewigen Glück im Gastgarten eines Lokals im zweiten Bezirk von Wien zu sitzen gekommen. Ich wollte meinem Körper Sonne zuführen, auf dass die von Zukunftsängsten geschürten roten Flecken weniger werden. Quasi Sonnenflecken. Ich bin die Sonne, wenn man so will. (Und jetzt singen alle »Hier kommt die Sonne« von Rammstein... na ja) Am Nebentisch sitzt eine adrette junge Dame mit drei nicht ganz so adretten, aber immer noch nett anzusehenden Herren, die ganz augenscheinlich in der Fernsehbranche tätig sind. Ich rieche so etwas, habe selbst lange genug in dem Gewerbe mein Unwesen getrieben. Sie, das habe ich schnell erkannt, ist eine bekannte Wetteransagerin (wie schön, das passt dazu, dass ich gerade die Sonne suche), und ihre Begleitherren sind Redakteure. Also Menschen, die nichts Wichtiges zum Gelingen einer TV-Sendung beitragen, aber sehr bemüht sind, ihre eigene Stellung als unentbehrlich zu manifestieren. Das ist ihre primäre Aufgabe. Keiner weiß genau, was TV-Redakteure machen, aber man ist sich einig, dass sie wichtig sind. Weil es genau das ist, was sie machen: wichtig sein. Ich höre ihnen zu und bin hellauf begeistert. Sie besprechen Banalitäten mit einer Inbrunst, die glauben macht, es ginge tatsächlich um etwas.
A: »Mir ist wichtig, dass wir das jeden Montag machen .«
B: »Ja, aber mir wäre recht, wenn eine gewisse Regelmäßigkeit in das Ganze kommt .«
C: »Ich gebe zu bedenken, dass das genau das Problem war, das wir früher hatten: Es war kein System im Sendungsablauf .«
Sie (die Wetterschöne): »Also, von mir aus. Aber ich sage gleich, dass ich das nur machen kann, wenn es... wie soll ich sagen ?... nicht willkürlich, sondern... äh...«
A: »Wöchentlich?«
B: »Regelmäßig?«
Sie: »Ja, genau, wenn es so ist. Das sage ich gleich .«
Danach angestrengte Blicke, leicht bitteres Schweigen, und alle konzentrieren sich darauf, eine Lösung für diesen Existenz bedrohenden Interessenkonflikt zu finden. B blättert in seinen Unterlagen, um sich zu beruhigen, weil man fürchten muss, er würde sonst explodieren. A verengt seine Augen und wirkt wie Rambo, kurz bevor er mit der Kraft der Verzweiflung über eine sehr tiefe Schlucht springt, weil das der einzige Weg ist, die Welt zu retten. Die Augen von C sagen: »Wir werden alle sterben«, und die Wetterschöne ist schon etwas weniger schön.
Am Ende beschließen sie, das Thema zu vertagen. Man kann das Glück nicht erzwingen, und vielleicht ergibt sich ja an einem anderen Tag eine Lösung. Sieht aber jedenfalls nach einem arbeitsreichen Wochenende aus. Als die vier zahlen, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass hier die wirklich wichtigen Dinge angepackt werden, und dankbar, dass diese verantwortungsvolle Last nicht auf meine schmalen Schultern drückt.
Ist es möglich, den Jakobsweg nur in Gedanken zu beschreiten? Führt der Weg zum Glück am Nebentisch vorbei?
Jetzt setzen sich vier männliche Wesen um die fünfzig neben mich. Die Tatsache, dass sie Kleidung tragen, lässt keinen Zweifel daran, dass es keine Affen sind. Ansonsten hätte ich auf die Schnelle keine Indizien dafür entdeckt. Sie atmen, grunzen, rülpsen und unterhalten sich über die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Wein und Bier. Sie wirken aber sehr bei sich und glücklich. Vielleicht sollte ich mich als Naturfilmer ausgeben und mich in einem Glas Bier verstecken, um zu erforschen, wie sie leben. Vielleicht reicht auch ein Umhang in Bierfarbe, unter dem ich mich verstecken kann, mit einem winzigen Loch für meine Kamera. Und dann beginnt natürlich das Warten. Das sieht man dann ja nie in der fertigen Tierdoku , aber Warten ist das kleine Einmaleins der Naturfilmer. Vielleicht verkleide ich mich auch als Aschenbecher oder als Maggiflasche. Für gute Bilder tue ich alles. Irgendwann werden sie schon Vertrauen zu mir fassen, ich werde Mitglied ihrer Horde und ihre Sprache lernen. Gorillas im Alkoholnebel. Schön.
Ich habe dann aber doch beschlossen, nach Hause zu gehen, um die Blumenkistchen an den Fenstern neu zu bepflanzen.
Nicht etwa, wie man vermuten könnte, mit Jakobsblumen, sondern mit Tagetes. (Ein verheerender Fehler! Saufen Wasser in Massen und werden riesig.) Die gelbe Jakobsblume (oder Jakobskraut) ist ein Heilkraut und die Nationalblume der Isle of Man. Dummerweise ist sie giftig, sie schädigt
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