Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Haipl
Vom Netzwerk:
Wenn Sie den Musikantenstadl für eine authentische Abbildung der alpinen Folklore halten, wenn Sie finden, dass Gartenzwerge grundsätzlich nur auf Kunststoffrasen richtig aufgehoben sind, und Ihren Opel Hut tragend lenken, dann könnte es Ihnen hier gefallen. Mein lieber Herr... Die durch Lichtschranken gesteuerte Glasschiebetür, die nach links und rechts aufgeht, sobald man sich ihr nähert, grüßt in bedrohlichen Lettern mit » Griaß « (linke Tür) und » Enk « (rechte Tür). Und das ist keine leere Drohung. Hüttengaudi samt fensterlnder Schaufensterpuppe in Lederhose, ein Speckkeller, der Walt Disney die Schamesröte ins verblichene Gesicht treiben würde, und eine Dirndlkassa, wo niemand das Wechselgeld zählt, weil jeder nur weg will. Möglichst schnell. Singende Murmeltiere aus Plüsch im Abverkauf neben Mozartkugeln und garantiert echtem Tiroler Schnaps made in China... hier regiert der helle Wahnsinn. Wir sind an Stehtischen vorbeigehuscht, wo gehetzt wirkende Rentner mit Pizza abgefüttert wurden, haben uns eine Flasche Mineralwasser und eine trockene Salzstange gekauft und sind schnell davongelaufen. Später, auf dem Rückweg, sollten wir an der Raststätte 2004 in Mils noch einmal vorbeifahren. Wir haben uns bekreuzigt und beschlossen, im Notfall lieber ins Auto zu pinkeln.
    Die Autobahnstrecke, die man auf dem Weg von St. Jakob im Defereggental nach St. Jakob in St. Anton zwangsläufig hinter sich bringen muss, ist eine Autobahnstrecke. Abgesehen von der erwähnten Autobahnraststation. Die ist, na ja, eine Reise wert. Sagen wir mal so.
    Mehr ist dazu nicht zu sagen. Zu schreiben schon gar nicht.
    St. Jakob in St. Anton am Arlberg. Ein Hort der Stille, der Einkehr und der Ursprünglichkeit. Haha, der war gut. Wir haben in St. Jakob in St. Anton zwanzig Minuten vergeblich nach einem Parkplatz gesucht. Zitat: »Parkplatz nur für Kunden«. Das bringt St. Jakob in St. Anton eigentlich recht gut auf den Punkt. Wir sind dann einfach weitergefahren.
    Der Einfachheit halber und weil wir schon am Arlberg waren, weiter nach Vorarlberg. Dort gibt es zwar kein St. Jakob, meine persönliche Familiengeschichte treibt mich aber immer wieder in das schöne Land, das die Schweiz 1919 so harsch abgelehnt hat. Einer meiner Vorfahren hat Jakob Fussenegger geheißen und war wie der Großteil meiner Verwandtschaft Vorarlberger. Ich spreche den örtlichen Dialekt nicht, ich habe praktisch keinen Kontakt mit der dort lebenden Sippschaft, behaupte aber jederzeit, so ich darauf angesprochen werde, dass ich halber Vorarlberger bin. Nicht einmal das stimmt, weil ich eigentlich nur ein Viertelvorarlberger bin. Egal, der Stolz überwiegt, und dafür lasse ich mich gerne auslachen. Bitte jetzt, wenn Sie dazu Lust haben.

    Geht’s wieder? Fein. Also, wir sind auf der Suche nach den Wurzeln meiner Kindheit pilgernd den Arlberg hinuntergesaust (teilweise sogar im zweiten Gang) und haben in Stuben am Arlberg haltgemacht. Hier habe ich als Kind mit Eltern und Geschwistern geurlaubt. Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass eh alles so ist, wie ich es in Erinnerung habe. Ist es im Prinzip: Durchzugsstraße, überproportionierte Hotelbauten, die Kellnerin bescheißt. Man kann also getrost durchfahren.
    Zwischendurch habe ich mich dazu verleiten lassen, bei einer Diskussion über Barack Obama mitzumachen, die auf Facebook stattgefunden hat. Eine Freundin aus Chicago hat mich per E-Mail auf meinem iPhone wissen lassen, dass einige ihrer eher konservativen Bekannten nicht und nicht verstehen wollen, warum Obama nicht grundsätzlich ein Vollidiot ist und warum es eher gut ist, dass Sarah Palin nicht Vizepräsidentin geworden ist. Alles in allem nicht das, was man erwartet, wenn man in den Alpen auf dem Jakobsweg ist. Ich schalte mein Telefon leider wirklich sehr selten aus, und seitdem ich darauf im Internet surfen und E-Mails empfangen kann, hat sich so etwas wie ein Suchtverhalten eingestellt. Das gebe ich gerne zu.
    So, meine Freundin aus Chicago meinte also, ich möge mich doch in die Diskussion einbringen, weil ich so schön provokant argumentieren könne. Damit hat sie nicht ganz unrecht. Innerhalb von 24 Stunden war ich zum Feind der Freiheit im Allgemeinen und zum Gegner der USA im Speziellen abgestempelt. Gut, das lassen wir also das nächste Mal. Ich kann mich gut erinnern, wie meine Großmutter immer mit Händen und Füßen versucht hat, jede politische Diskussion zu vermeiden, vor allem wenn Alkohol im Spiel war. Es kommt

Weitere Kostenlose Bücher