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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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die Waffen zu laden?«
    Der Arzt trat vor, sichtlich gerührt darüber, dass ihn Warnstedt noch mit seinem alten Rang angesprochen hatte. Auch er trug einen Revolver bei sich, wohl seine militärische Dienstwaffe, wie Cyprian annahm. Sie verglichen die Schusswaffen, wogen sie in den Händen und prüften die Läufe und die Trommeln.
    »Wenn die Herren sich überzeugen wollen«, meinte Schnitzler schließlich, als sie jeweils zwei Kugeln geladen hatten.
    Der Sektionsrat winkte vertrauensselig ab.
    »Ich verlasse mich auf Ihr Urteil«, sagte Schrader, der sich bisher sehr wortkarg gegeben hatte.
    Warnstedt ließ den Blick vom einen zum anderen schweifen und zuckte schicksalsergeben mit den Schultern. Er schritt auf den grasigen Uferstreifen zu, wo das Wasser der Donau plätscherte, und riss ein Schilfrohr aus, bevor er sich wieder in die Mitte der Fläche begab, die sie sich ausgesucht hatten, und damit eine gerade Demarkationslinie durch den Schnee zog. Danach platzierte er die zwei Laternen so, dass sie die bestmögliche Ausleuchtung erzielten.
    »Nehmen Sie Aufstellung, meine Herren.«
    Fichtner und Schrader traten an die Linie und stellten sich Rücken an Rücken aneinander. Cyprian blickte seinen alten Freund flehend an. Deutlich war seinem Gesicht der Wunsch abzulesen, der Sektionsrat möge doch von dem Unternehmen ablassen.
    Doch Robert hustete lediglich. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und wischte sich das Blut von den Lippen.
    Arthur Schnitzler räusperte sich, als er die Möglichkeit einer friedlichen Beilegung ansprach: »Wie Sie sicherlich wissen, können die Sekundanten miteinander über eine gütliche Einigung diskutieren. Sowohl Herr von Warnstedt als auch ich sind der Meinung, dass sich die Insultation mit einer einfachen Entschuldigung aus der Welt schaffen ließe.«
    »Kommt nicht infrage«, beschied ihm Robert, noch ehe der Arzt mit seinen Ausführungen weitermachen konnte. »Als Staatsbeamte sind wir beide satisfaktionsfähig, und ich wäre überrascht, wenn nicht gar enttäuscht, wenn mein Kontrahent einen Rückzieher machen möchte.«
    »Das ist bedauerlich«, bemerkte der Sekundant. »In diesem Fall möchte ich Herrn Schrader als den Beleidigten darauf hinweisen, dass ihm das Recht des ersten Schusses zukommt.«
    Der Ministerialbeamte nickte.
    Schnitzler trat ein wenig beiseite, um Warnstedt das weitere Vorgehen zu überlassen. Wenn man es recht bedachte, konnte Robert durchaus vertretbare Gründe haben, Linas Begleiter zu kränken. Sich deswegen über den Haufen schießen zu lassen, war nun aber doch absurd. Der Inspektor fror. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen, und er hatte es eilig, dieser schlechten Komödie ein schnelles Ende zu bereiten. »Da die Schwere der Beleidigung meines Erachtens als nicht bemerkenswert eingestuft werden kann«, wandte er sich an die Duellanten, »lege ich die Entfernung auf das Maximum fest: 100 Schritte.«
    »Einspruch!«
    Schnitzler und Warnstedt glaubten, sich verhört zu haben.
    »Ich bestehe auf dem Minimum«, forderte Robert entschlossen. »15 Schritte genügen.«
    Ein kalter Schauder lief dem Gendarmen über den Rücken. Bei dieser kurzen Entfernung, die ungefähr elf Meter betrug, war das Risiko eines Treffers und der damit einhergehenden Verwundung ungemein größer. Was sich Fichtner dabei dachte, erschloss sich ihm keineswegs.
    »Hast du dir das gut überlegt, Robert?«, drang er in ihn. »Der Beleidigte darf als Erster schießen.«
    »Ich bin mir dessen bewusst.«
    Ein verklärter Blick war in seinen Augen auszumachen. Cyprian empfand es als trostlos, hier in der Kälte zu stehen, in dieser dichten Suppe aus Nebel und Düsternis. Er spürte etwas Feuchtes auf der Stirn. Als er kurz den Kopf hob, sah er, wie Schneeflocken durch die Luft tanzten. Der Winter war endgültig angebrochen.
    Der Inspektor gab missmutig das Startzeichen, und die beiden Kontrahenten setzten sich in Bewegung. Schnell waren die 15 Schritte abgezählt. Noch immer standen die Duellanten voneinander abgewandt. »Auf ein Wort, Cyprian«, erbat sich Robert eine Unterredung.
    Der Sekundant gesellte sich zu ihm.
    »Wenn hier alles vorbei ist«, begann Fichtner, »dann suchst du Lina auf. Versprich es mir.«
    Der Inspektor schwieg betreten. Nach einigen Sekunden meinte er tröstend: »Du kannst ihr das hoffentlich selbst mitteilen. Du weißt, dass du das hier nicht tun musst.«
    Fichtner hustete erneut. Wortlos streckte er die offene Hand aus, um den geladenen Revolver in

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