Singularität
Bewohner ist noch am Leben. Eigentlich
möchte er sich dem Festival als Passagier anschließen. Ich
verstehe seine Gründe. Von seinem Standpunkt aus ist das
durchaus sinnvoll. Allerdings glaube ich, dass der Revolutionäre
Krisenausschuss etwas dagegen haben könnte, denn dort würde
man ihn lieber tot sehen. Und die reaktionären Kräfte in
der Hauptstadt wären aus anderen Gründen dagegen: Sie
möchten ihn wiederhaben. Er war früher der Gouverneur
dieses Planeten, müssen Sie wissen. Bis allzu viele seiner
privaten, persönlichen Wünsche wahr wurden. Jetzt will er
seinen Pflichten nicht mehr nachkommen.« Rubenstein blinzelte.
»Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten,
aber…«
»Aha. Und warum kann er sich dem Festival nicht einfach
anschließen? Worin besteht das eigentliche Problem?«
»Die Aufmerksamkeit des Festivals auf sich zu ziehen. Das
Festival bietet seine Dienste nur gegen Informationen an, aber er hat
ihm schon alles berichtet, was er weiß, genau wie ich selbst.
Was sollen wir tun?«
»Das ist ja grotesk«, bemerkte Martin. »Wollen Sie
damit sagen, dass das Festival nur Passagiere mitnimmt, die einen
Fahrpreis entrichten?«
»So seltsam das auch scheinen mag, auch das Fringe und
die Kritiker mussten zuerst ihren Preis entrichten, ehe sie an Bord
gehen durften. Die Kritiker zahlen immer noch für die
Beförderung, indem sie hochgeistige Kommentare zu allem abgeben,
was sie entdecken.« Burija nahm wieder Platz.
»He, Kritikerin!«, brüllte Martin.
Siebente Schwester, die sich auf dem flacheren Hügelabschnitt
niedergelassen hatte, setzte sich auf. »Frage?«, rief sie
mit dröhnender Stimme.
»Wie kommst du wieder nach Hause?«
»Schließe Kritik ab! Bekomme im Austausch
Luftbrücke.«
»Kannst du einen Passagier mitnehmen?«
»Ho!« Siebente Schwester machte sich gemächlich auf
den Weg nach oben. »Identität?«
»Wer immer sich unter dieser Glasglocke befindet. Wie ich
höre, war er früher der Gouverneur des Planeten.«
Die Kritikerin watschelte auf sie zu. Rachel bemühte sich,
vor dem feuchtkalten Geschöpf mit dem Atem, der nach vergorenem
Gemüse stank, nicht zurückzuweichen. »Kann Fracht
mitnehmen«, polterte Siebente Schwester los. »Gib Grund
an.«
»Hm.« Martin sah Rachel an. »Das Festival
assimiliert Informationen, stimmt’s? Wir sind mit der Flotte
gekommen. Ich habe Interessantes zu berichten.«
Siebente Schwester nickte. »Information. Nützlich, ja,
niedriger Grad von Entropie. Ist Passagier…«
»Der sitzt unter dieser Glasglocke«, fiel ihr Burija ins
Wort.
»Offenbar hat das Festival ihn in diesen Zustand versetzt.
Die ganze Sache bitte diskret behandeln. Einige meiner Kollegen
wären dagegen. Und was die Reaktionäre
betrifft…«
Ein sechster Sinn veranlasste Rachel dazu, sich umzudrehen.
Wassily! Aus irgendeinem Grund hatte er von der anderen Seite des
Hügels aus einen Bogen zu ihnen geschlagen. Und jetzt fiel ihr
auf, dass er etwas umklammerte, das wie ein Schaft ohne Klinge
aussah. Sein Gesicht war zu einer wilden Grimasse verzerrt.
»Burija Rubenstein?«, keuchte er.
»Ja, das bin ich. Wer bist du?« Rubenstein wandte sich
dem Neuankömmling zu.
Wassily, der halb taumelnd zwei Schritte vorwärts tat, wirkte
wie eine Marionette, deren Fäden ein Betrunkener zieht.
»Ich bin dein Sohn, du Mistkerl! Erinnerst du dich noch an meine
Mutter?« Er zog die Waffe, die sich als superraffiniertes
Sägemesser entpuppte.
»O Scheiße.« Plötzlich fiel Rachel das
statische Rauschen auf, das selbst in dieser Situation an ihren
Implantaten zerrte und ihnen mitzuteilen versuchte, dass das hier in
Wirklichkeit gar nicht geschah, dass niemand da war. Jetzt wurden die
Dinge klarer, viel klarer. Sie war nicht die Einzige hier, die mit
technologisch ausgefeilten Implantaten ausgestattet war.
»Mein Sohn?« Rubenstein war einen Augenblick verwirrt,
dann hellte sich seine Miene auf. »Also hat man Milla erlaubt,
dich zu behalten, nachdem ich verbannt wurde?« Er stand auf.
»Mein Sohn…«
Wassily holte mit dem Messer nach Rubenstein aus, unbeholfen zwar,
aber mit aller Kraft, die er aufbringen konnte. Doch Burija stand
dort nicht mehr, als das Messer niedersauste. Martin hatte ihn von
hinten gepackt und kopfüber zu Boden gezerrt.
Schrill aufkreischend fuhr das Supermesser in den Deckel des
Füllhorns und durchtrennte Millionen empfindlicher Schaltkreise.
Als Wassily mit aller Kraft versuchte, die Klinge herauszuziehen,
flackerte ein seltsames Licht auf.
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