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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Grund wäre beispielsweise der Beginn gewaltsamer
Auseinandersetzungen gewesen. Na ja, und mittlerweile hat sich das
Blatt gewendet. Meines Wissens hat Rubensteins Gruppe den
Übergang von der Mangelwirtschaft zur Überflussgesellschaft
recht gut überstanden. In dieser Zwei-Bit-Kolonie von
Hinterwäldlern erfüllen sie derzeit vermutlich noch am
ehesten die Aufgaben einer zivilen Verwaltung. Aber wenn das Festival
sich zu langweilen beginnt und weiterzieht, schaffen sie es
vielleicht nicht, ohne Füllhorn zu überleben. Vorausgesetzt
natürlich, dass sie das Festival nicht sofort um eines gebeten
haben.«
    Da der Koffer nach vorn gerutscht war und sich am Boden verhakt
hatte, schwieg sie einen Moment, um sich auf dessen Lenkung zu
konzentrieren.
    »Und was war deine Strategie zur Ausreise?«
    »Strategie zur Ausreise? Wozu brauchen wir denn so was?!
Liefer das Ding einfach ab und mach dich danach im allgemeinen Chaos
unsichtbar. Such dir irgendeinen Ort, an dem du leben kannst. Lass
dich dort nieder, bis der Handel wieder in Gang kommt. Dann nimm das
nächste Schiff. Und was ist mit dir?«
    »Ist ganz ähnlich wie bei dir. Hermann hat die
Angewohnheit, stets ein bisschen Zeit verstreichen zu lassen, bis er
sich wieder bei mir meldet. Hm… Hattest du einen bestimmten Ort
im Sinn, an dem du…«
    »Eine kleine Stadt namens Plotsk.« Sie warf den Kopf
scharf herum. »Aber eines nach dem anderen. Ich muss erst das
Paket abliefern. Und danach müssen wir das muntere Kerlchen an
irgendeinem sicheren Ort abladen, von dem aus es uns nicht folgen
kann, stimmt’s? Abgesehen davon habe ich mich gefragt, ob…
Na ja, was mit uns ist.«
    Martin griff nach ihrer freien Hand. »Hast du dich gefragt,
ob du mich irgendwie loswerden kannst?«
    Sie starrte ihn an. »Mhm, warum? Sollte ich das?«
    Martin holte tief Luft. »Willst dumich
loswerden?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Martin zog sie sanft an sich, bis sie an ihm lehnte. »Ich
dich auch nicht«, murmelte er ihr ins Ohr.
    »Zu zweit haben wir sowieso eine bessere Chance als jeder
für sich allein«, erklärte sie, um Nüchternheit
bemüht. »Wir können aufeinander aufpassen. Eine Zeit
lang wird es nämlich ganz schön haarig werden.
Außerdem ist es durchaus möglich, dass wir hier eine Weile
festhängen, vielleicht sogar Jahre.«
    »Rachel, hör auf, nach Ausflüchten zu
suchen.«
    Sie seufzte. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
    »Dein Pflichtbewusstsein ist schlimmer als…« Als
sie sich leicht zurückzog, brach er ab, denn er hatte das
warnende Funkeln in ihren Augen bemerkt. Gleich darauf fing sie leise
an zu lachen, und er fiel nach kurzem Zögern ein.
    »Wenn man mitten in der tiefsten Provinz strandet, dazu noch
in einer Provinz, die sich gerade vom Schock einer Revolution erholt,
kann ich mir eine sehr viel schlechtere Gesellschaft als dich
vorstellen, Martin, glaub mir…«
    »Okay, ich glaube dir, ich glaube dir!« Sie beugte sich
vor, küsste ihn heftig und ließ ihn dann lächelnd
los.
    Der Koffer rollte jetzt reibungslos dahin, da der Boden hier
flacher wurde. Der Geröllblock über ihnen leuchtete
gelblich in der Nachmittagssonne. Der Mann, der daran gelehnt hatte,
war jetzt in ein Gespräch mit der riesigen Kritikerin vertieft
und gestikulierte lebhaft. Als sie näher kamen, wandte er sich
ihnen zu: ein drahtiger kleiner Mann mit buschigem Haar und
Ziegenbart, den ein altmodischer Kneifer zierte. »Wer sind
Sie?«, fragte er aggressiv.
    »Burija Rubenstein?«, fragte Rachel erschöpft.
    »Ja?« Er musterte sie argwöhnisch. »Sie haben
Hilfsmittel für den Widerstand mitgebracht!«
    »Ein Paket für Burija Rubenstein, zu Händen der
Partei der Demokratischen Revolution, Rochards Welt. Sie würden
nicht glauben, wie weit es gereist ist oder durch wie viele Reifen
ich hüpfen musste, um zu Ihnen zu gelangen.«
    »Äh…« Er starrte zwischen Rachel und dem
Koffer hin und her. »Wer, sagten Sie, sind Sie?«
    »Freunde von der alten Erde«, knurrte Martin.
»Außerdem Schiffbrüchige, die dreckig sind und Hunger
haben.«
    »Nun ja, hier können Sie kaum mit einem gastlichen
Empfang rechnen.« Rubenstein wies auf den Umkreis der Lichtung.
»Von der alten Erde, sagen Sie? Also, das ist wirklich ein
langer Weg für einen Paketdienst! Was ist denn eigentlich da
drin?«
    »Ein Füllhorn. Eine selbst-replizierende
Produktionsanlage, vollständig programmierbar – und sie
gehört Ihnen. Ein Geschenk von der Erde. Alle Produktionsmittel
in einem einzigen handlichen

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