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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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schon in der Hauptstadt
der Vaterwelt ein Vermögen gekostet hätten, ganz zu
schweigen vom Preis in einer Kolonialstadt am Ende der Welt. Der
Vorrat schien ihnen nie auszugehen, und das Schild, das sie vor dem
Laden aufgehängt hatten, grenzte gefährlich nahe ans
Subversive:
     
    WIR BIETEN WERKZEUGE UND IDEEN
     
    Allerdings löste das längst nicht so viele Bemerkungen
aus wie das Verhalten der Geschäftsinhaberin: Die große,
schlanke Frau mit dem dunklen kurz geschnittenen Haar ging zuweilen
ohne Kopfbedeckung und ohne Begleitung aus und führte den Laden
in Abwesenheit ihres Ehemannes häufig ganz allein, wobei sie
sogar Fremde eigenständig bediente.
    Vor der Ankunft des Festivals hätte das Verhalten dieses
Paares mit Sicherheit Aufsehen erregt, vielleicht sogar einen Besuch
der Polizei und eine Vorladung ins Büro des Kurators nach sich
gezogen. Aber in diesen seltsamen Zeiten schien es niemanden zu
kümmern. Außerdem suchte auch der radikale Rubenstein den
Laden nicht selten auf, um sich ungewöhnliche Zusatzteile
für seine Druckerpresse zu besorgen. Offenbar hatte das Paar
gefährliche Freunde, und das reichte aus, um die Nachbarn von
allzu penetranter Schnüffelei abzuhalten – mit Ausnahme der
Witwe Lorenz, die es offenbar für ihre Pflicht hielt, einen
Streit mit dem weiblichen Teil des Gespanns vom Zaun zu brechen. (Sie
unterstellte ihr, Jüdin zu sein, in wilder Ehe zu leben und
ähnlich finstere Dinge.)
    Während der neun Monate, die auf das Festival folgten,
lösten herbstliche Kühle und Regen den Sommer ab. Als die
Sonne ihr Antlitz schließlich gänzlich verbarg, nahm der
Winter die Erde in eisigen Griff. Martin verbrachte viele Abende
damit, in dem Vorrat von Stahlstangen herumzuwühlen, den er im
Sommer angelegt hatte, und die kleine Schmelzanlage im Keller mit
einzelnen Stücken zu futtern. Mithilfe der primitiven
mechanischen Ausrüstung, die zur Hand war, versuchte er sich als
Werkzeugmacher. Pressformen für Diamanten, elektrische
Vorrichtungen zum Schweißen von Lichtbögen, numerisch
gesteuerte Fräsmaschinen – all das stellte er mithilfe der
Schmelzanlage her. Danach verwendete er die Werkzeuge ihrerseits zur
Produktion von Gegenständen, mit denen sich die Bauern und
Kaufleute in seiner Umgebung auskannten.
    Während Martin sich mit diesen Aufgaben befasste, hielt
Rachel Haus und Laden zusammen, sorgte für Essen und Kleidung,
schaltete Anzeigen in Rubensteins Flugschrift und hielt die Ohren
offen, um rechtzeitig gewappnet zu sein, sollten sich Probleme
abzeichnen. Martin und Rachel lebten als Mann und Frau zusammen. Und
wenn die Nachbarn neugierige Fragen stellten, antworteten die beiden
nur mit einem ausdruckslosen Blick oder mit einem Achselzucken, das
besagte: Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten! Sie lebten ein sehr einfaches Leben, denn das, was
erhältlich war, und die Notwendigkeit, nicht aufzufallen,
begrenzten ihren Lebensstandard auf ein Mindestmaß. Als die
schneidende Kälte des Winters einsetzte, installierte Martin
allerdings isolierende Schaumschichten und Wärmepumpen. Und das
hielt sie so warm, dass ein oder zwei der dreisteren Nachbarn die
Neigung entwickelten, im Laden herumzuhängen, was Rachel und
Martin keineswegs begrüßten.
    An einem kühlen Morgen erwachte Martin mit Kopfweh und
ausgetrocknetem Mund. Einen Moment lang konnte er sich nicht daran
erinnern, wo er sich befand. Als er die Augen aufschlug, fiel sein
Blick auf einen schmuddeligen weißen Vorhang. Irgendjemand
murmelte verschlafen etwas und wälzte sich zu ihm herum. Wie
bin ich hierher gekommen? Das ist nicht mein Laden. Das ist nicht
mein Leben! Er fühlte sich wie im falschen Film. Gleich
darauf überschwemmte ihn die Erinnerung wie eine plötzliche
Flut. Er rollte sich zu Rachel hinüber, streckte den Arm nach
ihr aus und zog die Schultern der Schlafenden an seine Brust. Ferne
Stimmen in seinem Kopf meldeten ihm, dass alles seine Ordnung hatte.
Rachel murmelte irgendetwas, zuckte zusammen und gähnte.
»Bist du wach?«, fragte er leise.
    »Tja. Wie spät ist es überhaupt?« Als sie mit
zerzaustem Haar und vom Schlaf verquollenen Augen ins Morgenlicht
blinzelte, erfasste ihn eine solche Welle der Zuneigung, dass es fast
schon wehtat.
    »Die Sonne ist schon aufgegangen. Verdammt kalt hier drinnen.
Entschuldige mich.« Nachdem er sie noch einmal umarmt hatte,
glitt er aus dem Bett, teilte mit den Füßen den Vorhang,
der das Bett umschloss, und trat ins eiskalte Schlafzimmer. Der

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