Singularität
Beobachterin brach ab, als sie das
triumphierende Glitzern im Auge ihrer Schwester bemerkte.
»Ich schlage doch lediglich vor, eine Hand voll von denen ein
bisschen gründlicher zu KRITISIEREN als üblich«,
erwiderte Siebente Schwester. »Und wenn ich damit durch bin,
werden alle, die’s überleben, wissen, dass sie KRITISIERT
worden sind. Das ist meine übliche
Vorgehensweise…«
Kommandeur Krupkin brauchte fast zwei Stunden, bis er dazu kam,
sich mit Wassily Muller zu treffen. Kaum war der Hauptantrieb
hochgefahren und am Laufen, sodass sich das Schiff reibungslos vom
Raumhafen Klamowka entfernte und davonglitt, meldete sich sein
Piepser: ALLE OFFIZIERE SOFORT ZUM BESPRECHUNGSZIMMER D.
»Scheiße noch mal!«, murmelte er und sprach im
Vorübergehen Pavel Grubor an: »Der Alte will sofort mit mir
reden.
Können Sie sich um den Bordingenieur kümmern und
herausfinden, wie lange er noch zur Installation des
Ausgleichsreglers für unsere Standardzeit braucht? Piepsen Sie
mich an, wenn Sie’s wissen.« Ohne eine Antwort abzuwarten,
ging er davon.
Michail Krupkin mochte seine Arbeit. Weder war er besonders scharf
auf weitere Beförderungen noch rechnete er ernsthaft damit. Die
letzten vierzehn Jahre hatte er als Bordingenieur auf Raumschiffen
gearbeitet. Und er ging davon aus, dass er dort auch seine berufliche
Laufbahn beenden würde, ehe er glücklich und zufrieden den
langen Ruhestand antrat, den er damit verbringen wollte, für
eine zivile Raumfahrtgesellschaft zu arbeiten. Allerdings schafften
es Botschaften wie diejenige, die er soeben erhalten hatte, seinen
Seelenfrieden gründlich zu stören. Denn sie bedeutete, dass
sich sein Boss nach der Verfügbarkeit der Betriebssysteme
erkundigen würde. Und angesichts der seltsamen, neu integrierten
Boxen, die im Antriebsraum installiert waren, mochte die Lord
Vanek zwar mobil sein, aber er konnte, wenn er ehrlich war, nicht
beschwören, dass alles hundertprozentig auf solider Grundlage
basierte.
Er wusste zwar nicht, was sich in diesen Boxen befand, aber er war
sicher, dass die Admiralität nicht ohne Grund mehrere Millionen
Kronen für die Aufrüstung des Antriebs ausgab. Jedenfalls
waren die Leute vom Admiralstab bemerkenswert zugeknöpft
gewesen, was die von ihnen georderte zusätzliche Steuersoftware
betraf. Boxen, die an den Antrieb angeschlossen waren, der
seinerseits an die neue Breitbandverbindung zum Netz der taktischen
Waffen angeschlossen war: Da roch etwas faul.
All das und mehr ging ihm durch den Kopf, als er den
Expressfahrstuhl zum Besprechungszimmer in dem Bereich nahm, der den
Offizieren vorbehalten war. Die Tür zu Raum D stand offen, als
wartete man schon auf ihn. Die meisten höheren Offiziere waren
bereits eingetroffen: Ilja Murametz, der Erste Offizier, Leutnant
Helsingus von der Abschusskontrolle, die übliche Mannschaft der
Gefechtsführer, Vulpis von der Abteilung Relativität…
Da er den weitesten Weg gehabt hatte, war er – bis auf den
Kapitän – vermutlich am spätesten dran. »Ilja,
was geht hier vor?«
Ilja sah ihn an. »Der Kapitän ist beim Admiral. Sobald
er kommt, wird er etwas bekannt geben. Ich weiß nichts
darüber, außer dass es alle Abteilungen betrifft.«
Krupkin atmete vor Erleichterung insgeheim auf. »Alle
Abteilungen« bedeutete, dass es nicht um den Schiffsantrieb
ging. Heute würde niemand durch den Wolf gedreht werden. Nicht,
dass Kapitän Mirsky nach Maßstäben der Neuen Republik
ein Leuteschinder gewesen wäre, aber er konnte gnadenlos sein,
wenn er Grund hatte anzunehmen, dass jemand am Schaltpult
eingeschlafen war oder bei der Arbeit schlampte.
Plötzlich wandelte sich die Atmosphäre im Zimmer. Alle
wandten sich dem Eingang zu. Die Gespräche verstummten, die
Offiziere nahmen Haltung an. Kapitän Mirsky blieb einen Moment
lang stehen, um seinen Stab zu inspizieren. Offenbar gefiel ihm, was
er sah. Als er sprach, waren seine ersten Worte: »Bitte nehmen
Sie Platz, meine Herren.« Er ging zum Kopfende des Tisches vor
und legte eine dicke Mappe vor seinem Stuhl ab.
»Es ist jetzt elf Uhr dreißig. Die Tür zu diesem
Raum ist geschlossen und wird, sofern nicht irgendwelche
Notfälle eintreten, bis zwölf Uhr geschlossen bleiben. Ich
bin befugt, Ihnen mitzuteilen, dass wir jetzt unter Kriegsbefehl
stehen. In die politischen Diskussionen, die unseren Befehlen
zugrunde liegen, bin ich nicht eingeweiht, allerdings hat mich der
Stab von Admiral Kurtz darüber informiert, dass eine Lösung
dieser Krise –
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