Singularität
verhindert, siehst
du das nicht?«
Ȇberflutung durch Informationen? Und das soll sie
verhindern? Das Leben ist doch Information!«
Siebente Schwester furzte selbstgefällig. »Ich habe das
Festival überwacht. Nicht einer der Eingeborenen hat das
Festival um Information gebeten! Werkzeuge und Geräte, ja.
Speisen, ja. Maschinen jeder Art, bis hin zu den Anlagen, die sich
selbst reproduzieren. Aber Philosophie? Kunst? Mathematik? Ontologie?
Vielleicht erleben wir hier die erste Zivilisation, die aus lauter
Zombies besteht.«
Zombies waren ein Thema, das Siebente Schwester faszinierte. Nach
einer uralten Hypothese der vorzeitlichen Urgesellschaft, die vor der
Singularität existiert hatte, war ein Zombie ein Wesen, das kein
Bewusstsein seiner selbst entwickelt hatte, sich jedoch wie ein
bewusstes Wesen verhielt: Es lachte, weinte, sprach, aß und
benahm sich ganz allgemein wie eine reale Person. Und wenn man es
danach fragte, behauptete es auch, Bewusstsein zu besitzen –
aber hinter seiner Oberfläche, seinem sichtbaren Verhalten, war
niemand präsent; dieses Wesen verfügte über kein
inneres Modell des Universums, in dem es lebte.
Die Philosophen hatten die Hypothese aufgestellt, es könne
solche Zombies gar nicht geben; jeder, der behauptete, eine wirkliche
Person zu sein, sei tatsächlich eine. Siebente Schwester war
davon weniger überzeugt. Menschliche Wesen – diese faltigen
endothermischen Anthropoiden mit ihren lächerlich kleinen
Schneidezähnen und ihren anarchischen Gesellschaftsordnungen
– kamen ihr nicht sonderlich real vor. Deswegen suchte sie
ständig nach Beweisen dafür, dass sie gar keine Personen im
eigentlichen Sinn waren.
Erste Beobachterin war zwar der Meinung, dass ihre Wurfgenossin
wieder einmal ihr Lieblingsthema durchkaute, aber im Unterschied zu
Siebenter Schwester war sie ja auch keine Vertreterin praktischer
Kritik: Sie beobachtete nur.
»Ich finde, wir müssen diese Zombie-Frage hier erst
klären, bevor wir die anderen Probleme dieser Leute
lösen.«
»Und wie willst du das anstellen?«, fragte Erste
Beobachterin. »Wieder einmal geht es hier um das Problem der
Subjektivität. Ich sag dir, die einzige tragfähige
analytische Methode liegt darin, von den eigenen Intentionen dieser
Leute auszugehen. Wenn etwas behauptet, mit Bewusstsein begabt zu
sein, nimm es beim Wort und behandle es so, als hätte es
bewusste Absichten.«
»Ach, dabei kann ich eine Meerkatze mühelos so
programmieren, dass sie mir ›Ich denke, also bin ich‹
aufsagt. Nein, Schwester, wir müssen näher an die
Oberfläche heran, um die Wurzeln dessen aufzuspüren, was
Bewusstsein ausmacht. Wir brauchen einen Test, und zwar einen, in dem
ein Zombie hängen bleibt, während ein Schauspieler
durchwitscht.«
»Schwebt dir etwas Bestimmtes vor?«
Siebente Schwester boxte in die Luft und knirschte mit den
riesigen gelben Stoßzähnen. »Ja, ich glaube, ich kann
einen konstruieren. Ein typischer Wesenszug mit Bewusstsein begabter
Wesen liegt darin, dass sie sich eine intentionale Haltung aneignen.
Das heißt, sie finden Modelle für das Verhalten anderer
Geschöpfe, sodass sie deren Verhalten vorhersehen können.
Wenn sie ein solches Modell auf andere anwenden, erwerben sie die
Fähigkeit, auf deren Absichten zu reagieren, ehe sie
überhaupt offen zu Tage treten. Wenden sie ein solches Modell
auf sich selbst an, werden sie sich ihrer selbst bewusst, weil sie
sich ein Verständnis ihrer eigenen Motivationen aneignen. Und
die Fähigkeit, diese Motivationen zu verändern.
Bis jetzt habe ich allerdings noch kein Anzeichen davon gesehen,
dass sie ihre Motivationen von sich aus verändern könnten;
im Grunde habe ich nur automatische Reflexe beobachtet. Ich
möchte sie dadurch testen, dass ich sie mit einer Situation
konfrontiere, in der ihr Verhalten ihr Selbstbild widerlegt. Falls
sie ihr Selbstbild den neuen Umständen anpassen können,
wissen wir, dass wir es mit Wesen zu tun haben, die ebenso mit
Bewusstsein begabt sind wie wir selbst. Was letztendlich unsere
Einschätzung der Situation beeinflussen wird.«
»Das klingt so, als könnte es Schaden anrichten oder
schwierig werden, Schwester. Ich werde darüber nachdenken
müssen, ehe ich den Vorschlag Mutter unterbreite.«
Siebente Schwester gab ein perlendes Lachen von sich und
wälzte sich ruckartig auf den Bauch. »O Geschwisterchen!
Was hab ich denn deiner Meinung nach vor?«
»Das weiß ich nicht. Aber wenn es dem ähnelt, was
du sonst immer…« Erste
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