Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
unter
Verfolgungswahn. Sie nehmen an, dass ein Spion an Bord ist, und haben
Angst, dass sie auf ihrer Route auf Minenleger und Saboteure
treffen.«
    »Ein Spion an Bord?« Erschrocken setzte er sich auf.
»Die wissen, dass ein…«
    »Reg dich nicht auf. Ja, ein Spion. Keiner von uns. Irgendein
Idiot vom Büro des Kurators, den sie mitgeschickt haben, damit
er ein Auge auf dich hat. Reg dich nicht auf, hab ich gesagt. Er ist
noch fast ein Kind, irgendein angehender Geheimdienstler, der noch
nicht trocken hinter den Ohren ist. Versuch, locker zu bleiben, wenn
du mit ihm zu tun hast. Was dich angeht, hast du die offizielle
Erlaubnis, mit mir zu sprechen. Schließlich bin ich das, was
einer Repräsentantin deiner Regierung noch am nächsten
kommt.«
    »Wann können wir von Bord gehen?«, fragte er mit
angespannter Stimme.
    »Vermutlich nach der Ankunft.« Sie nahm seine Hand und
drückte sie. »Mach deine Arbeit und halte dich
bedeckt«, sagte sie gelassen. »Aber was immer du auch tust,
verhalte dich bloß nicht so, als hättest du ein schlechtes
Gewissen, und gib denen gegenüber auch nichts zu. Vertrau mir,
Martin. Wie schon gesagt: Für die Dauer dieser Reise
gehören wir zum selben Team.«
    Martin beugte sich nahe zu ihr. Auch sie war angespannt, sehr
angespannt. »Das alles ist ziemlich verrückt«, sagte
er sehr langsam und vorsichtig, als er ihr einen Arm um die Schultern
legte. »Diese blöde Expedition wird uns vermutlich beide
das Leben kosten.«
    »Kann sein.« Sie griff fester nach seiner Hand.
    »Besser nicht«, sagte er verkrampft. »Ich hab noch
gar keine Gelegenheit gehabt, dich richtig kennen zu
lernen.«
    »Danke, gleichfalls.« Ihr Griff lockerte sich etwas.
»Würdest du das wirklich gern? Mal ehrlich!«
    »Nun ja.« Er lehnte sich gegen die harte Wand neben dem
Bett. »Ich hab noch nicht gründlich darüber
nachgedacht, aber ich bin schon ziemlich lange allein. Wirklich. Auch
schon, ehe ich diesen Job angenommen habe. Ich brauche…« Er
schloss die Augen. »Scheiße. Was ich sagen wollte: Ich
brauche eine Pause, kann nicht ewig so weiterarbeiten. Ich
möchte mich ein oder zwei Jahre beurlauben lassen, um wieder
richtig auf die Beine zu kommen und herauszufinden, wer ich
eigentlich bin. Ortswechsel und Ruhe. Und falls du auch an so was
denkst, dann…«
    »Du klingst überarbeitet.« Sie fuhr zusammen und
zitterte. »Irgendjemand ist gerade über mein Grab spaziert.
Das betrifft uns beide, Martin, uns alle beide. Etwas an dieser Neuen
Republik macht dich fertig, stimmt’s? Hör zu, zu Hause
warten zwei Jahre bezahlter Urlaub auf mich, die sich im Laufe meiner
Arbeit angesammelt haben. Falls du möchtest, dass wir gemeinsam
irgendwo hinfahren, um von all dem hier Abstand zu
gewinnen…«
    »Hört sich gut an«, sagte er leise. »Doch im
Augenblick…« Er ließ den Satz in der Luft hängen
und blickte zur Kabinentür.
    Einen Moment waren beide wie erstarrt und unterließen das
Reden. »Ich werde dich nicht im Stich lassen«, sagte sie
schließlich sanft. Sie umarmte ihn kurz und ließ ihn
gleich darauf los, um aufzustehen. »Du hast Recht. Ich sollte
wirklich nicht hier sein und muss jetzt in mein Zimmer zurück.
Falls die mich immer noch überwachen, na ja…«
    Sie griff nach ihrem Barett, das auf dem oberen Bett lag, setzte
es sorgfältig auf und öffnete die Tür. Als sie ihm
noch einen letzten Blick zuwarf, überlegte er kurz, ob er sie
bitten sollte zu bleiben. Er dachte sogar daran, ihr alles zu
offenbaren. Aber gleich darauf war sie schon draußen, um durch
die rötlich beleuchteten Gänge des schlafenden Schiffes zu
ihrer Kabine zu gehen.
    »Verdammt«, sagte er leise und sah leicht ungläubig
zum leeren Eingang hinüber. »Zu spät, zu spät,
verdammt noch mal…«

 
zwischenfall am
wolf depository
     
     
    Die Schiesserei begann mit einem Telegramm.
    Inmitten einer lockeren Formation, umgeben von sechs anderen
großen Schiffen, sauste die Lord Vanek auf die
Heliopause zu, die Raumregion jenseits des Magnetfelds der Sonne, in
der der solare Wind auf das harte Vakuum des interstellaren Raumes
traf. Wolf Depository lag fünf Lichtjahre von ihnen entfernt,
fast fünf Jahre in der Zukunft – denn der Plan sah vor,
dass die Flotte einem teilweise geschlossenen zeitartigen Pfad folgen
und dabei tief in die Zukunft eintauchen sollte. Dabei würde sie
innerhalb eines Kausalitäts-Kegels [iv] bleiben, als dessen Scheitelpunkt man Neu-Prag zurzeit der ersten
Angriffsmeldung bestimmt hatte.

Weitere Kostenlose Bücher