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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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war diese zusätzliche Steckausrüstung, die zum Notebook
des Mannes gehörte, aber auch das ließ keine weiteren
Schlüsse zu, oder?
    Wassily hatte jetzt fast zwei Monate seines Lebens damit
zugebracht, wenigstens diese Informationen zu sammeln. Einen
Großteil der Zeit hatte er sich so gelangweilt, dass er
hätte heulen können. Die Besatzung, einschließlich
der Offiziere, wollte nicht mit ihm reden. Schließlich war er
einer der Männer des Kurators und mit dem Schutz der
Gesellschaft beauftragt; wie alle Menschen im Polizeidienst weckte er
damit ein gewisses Misstrauen. Und die kleine Bibliothek hatte er
längst von vorn bis hinten durch. Da er keine anderen Aufgaben
als die verdeckte Überwachung eines Verdächtigen hatte, der
dazu noch davon wusste, gab es für ihn kaum eine andere
Beschäftigung, als sich sinnlosen Spekulationen über die
bevorstehende Begegnung mit seinem Vater auf Rochards Welt
hinzugeben. Aber ihm fielen kaum Worte zu dessen Begrüßung
ein – und es lag kaum Trost in der Vorstellung, sie
tatsächlich auszusprechen.
    Eines Abends jedoch kam Wassily der Gedanke, es könne noch
einen anderen Weg geben, die Schritte des Tatverdächtigen zu
überwachen. Verbrachte Springfield nicht auffällig viel
Zeit mit der ausländischen Diplomatin? Mehr als gut für ihn
war?
    Denn die war nun wirklich eine äußerst zwielichtige
Person! Wenn Wassily nur an sie dachte, bebten seine
Nasenflügel. Hätte sie keinen Diplomatenausweis vorweisen
können, hätte er sie im Nu zum Verhör vorgeladen.
Springfield mochte ein Radikaler sein, aber Oberst Mansour trug
Hosen! Auf den Straßen der Hauptstadt hätte allein das
ausgereicht, um sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses
festnehmen zu lassen, ob sie über besondere
Beglaubigungsschreiben verfügte oder nicht. Die Frau war eine
gefährliche Degenerierte; offensichtlich mit schlechtem
Geschmack, ein Mannweib, wahrscheinlich auch eine Lesbe. Von ihr ging
die Gefahr aus, dass sie jeden, mit dem sie zu tun hatte, verderben
würde. Eigentlich bedrohte schon ihre bloße Anwesenheit
auf diesem Kriegsschiff die moralische Integrität der Besatzung!
Dass der Ingenieur viel Zeit mit ihr verbrachte, war nicht zu
übersehen (Wassily wusste aus Aufzeichnungen der
Überwachung, dass Springfield in ihrer Kabine ein und aus ging).
Die Antwort auf die Frage, wo das belastende Beweismaterial versteckt
sein könnte, lag ziemlich deutlich auf der Hand. Springfield war
ein gefährlicher anarchistischer Spion, und sie musste wohl
diejenige sein, die seine üblen Vorhaben lenkte; eine
geheimnistuerische Meisterin in der Kunst diplomatischer
Verführung, wahnsinnig, von schlechtem Charakter und
gefährlich für alle, die mit ihr Kontakt hatten.
    Was auch der Grund war, warum er vorhatte, in ihre Kabine
einzubrechen und ihr Gepäck zu durchsuchen.
    Angefangen von dem Augenblick, da er Springfields
Zusatzausrüstung zum Notebook, salopp ausgedrückt, als
Schrott hatte einordnen müssen, hatte Wassily noch fast zwei
Wochen gebraucht, bis er sich dazu entschlossen hatte.
    Es war anderthalb Wochen her, dass die Flotte schwungvoll ihre
Heimreise angetreten hatte. Zunächst war sie zu dem unbewohnten
Doppelsystem mit dem Code-Namen Terminal Beta hinübergesprungen,
danach von einem Stern zum anderen, wobei sie jeden Tag hundert Jahre
in die Vergangenheit zurückgelegt hatte. Noch vier Wochen, und
sie würden an ihrem Bestimmungsort ankommen. Dennoch hatte
Wassily sich Zeit gelassen, da er wusste, dass er äußerst
behutsam vorgehen musste. Ohne irgendeinen Beweis von Verrat konnte
er gegen keinen von beiden vorgehen. Und der Beweis befand sich
offenbar bei der Diplomatin unter Verschluss. Was er auch unternehmen
würde, letztendlich konnte es ihn um Kopf und Kragen bringen,
wenn man ihn schnappte. Nun ja, wenn man im Gepäck einer
Diplomatin herumschnüffelte, war das so ungefähr die
größte Indiskretion, die man begehen konnte. Sollte ihn
irgendjemand dabei ertappen, so würde man ihn den Wölfen
zum Fraß vorwerfen – vielleicht nicht im wörtlichen
Sinne, aber er würde sich auf eine lange berufliche Zukunft
freuen dürfen, die sich darin erschöpfte, dass er an der
südlichen Polarstation die Pinguine überwachte.
    Für seinen Raubzug suchte er sich einen frühen Abend
aus. Martin Springfield befand sich in der Offiziersmesse, wo er
Schnaps trank und mit dem Chefingenieur Krupkin Domino spielte.
Während Wassily in Leutnant Sauers Kontrollbude saß,
wartete er ab, bis Oberst

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