Sinnliche Versuchung in Italien
Morgen, als er sie beim Blumenpflücken beobachtet hatte. Wie seine verstorbene Mutter hatte sie einen ausgeprägten Sinn für die Natur. Diese Frau stellte die Erfüllung seiner Sehnsüchte dar. In kurzer Zeit war sie zu einem Teil seines Lebens geworden. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, wie es ohne sie wäre.
Dagegen befremdete ihn das Bild, auf dem sie wie eine etruskische Prinzessin aussah. Darauf wirkte sie zwar verführerisch, aber so unnahbar und unerreichbar auf ihn, dass es geradezu Beklemmungen in ihm hervorrief. Trotzdem versuchte er, das Foto mit den Augen der anderen zu betrachten, und kam zu dem Schluss, dass es die Synthese von perfekter Technik und weiblicher Schönheit darstellte. Ihm fiel ein, was Annabelle ihm auf seine Frage nach ihrer Arbeit in Italien geantwortet hatte: „Ich helfe deinem Vater, ein neues Automodell zu verkaufen.“
Sie hatte an der Realisierung von Giulios Traum einen entscheidenden Anteil, denn mit ihrer Figur und ihrem Gesicht war sie die Traumfrau eines jeden Mannes. Lucca konnte sich sehr gut vorstellen, dass Männer den Wagen kauften, nur um in den Besitz des Kalenders mit den Aufnahmen von ihr zu kommen. Irgendwann, wenn die Auflage vergriffen war, würde er wahrscheinlich sogar ein begehrtes Sammlerstück werden.
Mit jedem Foto, das jetzt auf der Leinwand erschien, wuchs nicht nur seine Aufregung, sondern auch die der anderen. „Und nun kommen wir zum letzten Bild“, sagte Guilio endlich.
Angesichts der hinreißenden Braut, die aus ihrem roten Sportwagen gestiegen war und sich auf der Kirchentreppe noch einmal umdrehte, erklangen jetzt viele Ohs und Ahs, und plötzlich hielt es niemanden mehr auf seinem Platz.
Nur Lucca blieb in all dem Jubel wie erstarrt sitzen und schaute wie elektrisiert das Bild an. Annabelle im Hochzeitskleid mit Schleier zu sehen raubte ihm den Atem. Im Krankenhaus hatte man ihm vor der Entlassung gesagt, er sei organisch völlig gesund, doch nun hatte er Angst, dass sein Herz versagte.
„Basilio?“, rief sein Vater. „Bitte schalte das Licht wieder an. Ich möchte meine Gäste mit der Frau bekannt machen, die sie eben auf den Fotos gesehen haben.“
Augenblicklich wurde es hell. Langsam wie in Trance, wandte Lucca den Kopf zur Tür, wo Annabelle aufgetaucht war. Sie trug das weinrote Cocktailkleid und den Diamantschmuck. Unter dem Applaus der Anwesenden ging sie lächelnd auf seinen Vater zu. Dabei umspielte ihr Rock ihre schönen Beine, und ihre Augen strahlten, und ihr Haar glänzte wie Gold.
Als sie seinen Vater erreicht hatte, legte er ihr den Arm um die Schultern. „Das, liebe Verwandte und Freunde, ist Annabelle Marsh aus Los Angeles, unser Amalfi – Girl. Sie arbeitet für Mel Jardine, dem erfolgreichsten Amalfi – Händler in den Staaten. Er ist heute auch hier. Nun habe ich euch das letzte Geheimnis verraten.“ Alle lachten. „Sie ist unser Aushängeschild für den Amalfi - MB-Viper .“
Nach dem Applaus führte Luccas Vater Annabelle durch eine Seitentür hinaus, um sie vor der Menge zu schützen. Draußen umarmte sie ihn. „Die Überraschung ist Ihnen gelungen. Ihr Sohn wird gerührt sein.“
„Das glaube ich auch. Danke, dass Sie ihm nichts gesagt haben.“
„So etwas hätte ich mir nie verziehen.“
„Ich Ihnen aber. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie hartnäckig mein Sohn versucht hat, Sie auszufragen. Ein Wunder, dass Sie das Geheimnis hüten konnten.“
„Ich bin jedenfalls froh, dass Sie nicht länger mit der Überraschung gewartet haben. Und der Vertrieb Ihres Autos wird dadurch bestimmt auch angekurbelt. Während der Diashow habe ich ein bisschen an der Tür gelauscht. Die Händler sind versessen darauf, diesen Wagen zu verkaufen.“
„Ich hoffe, die Zahlen werden irgendwann meine Erwartungen bestätigen.“
Er führte sie an einen Tisch. „Hier haben Sie Platz genug, um die Plakate zu signieren. Gleich wird der Ansturm beginnen. Falls wir heute keine Gelegenheit mehr haben, miteinander zu sprechen, danke ich Ihnen schon einmal für alles. Ciao, Annabelle.“
Annabelle setzte sich hin und schaute hinaus in den Garten. Lichterketten, Windlichter und Fackeln verliehen ihm eine märchenhafte Atmosphäre. Zur Besichtigung stand auf einer Plattform das Cabriolet bereit. Es hatte eine rote Lackierung. Auf einer Ablage daneben lagen Kataloge mit den technischen Daten.
Sie seufzte, weil nicht Lucca, sondern ein Händler als Erster zu ihr kam, um sein Poster von ihr unterzeichnen zu lassen. Kaum
Weitere Kostenlose Bücher