Sintflut
sein, er stellte an Kmicic keine Fragen mehr. Der Ritt hatte ihn wahrscheinlich ermüdet; sein Kopf hing nach vorn über, und seine Augen hielt er geschlossen. Von Zeit zu Zeit jedoch blinzelte er von der Seite zu Kmicic und Lubieniec hin, die die Zügel seines Pferdes hielten. Er überlegte, welchen von beiden er am leichtesten zur Seite stoßen konnte, um das Freie zu gewinnen.
Unterdessen hatten die Reiter das Gebäude, das am Waldesrande stand, erreicht. Es war keine Schenke, sondern eine Schmiede, in der Vorüberreisende ihre Pferde beschlagen oder ihre Wagen ausbessern ließen. Soroka hatte sein Pferd schon an einen Pfahl gebunden; er unterhielt sich mit dem Schmied, einem Tataren, und seinen beiden Gehilfen.
Kmicic steckte seine Pistole in den Gürtel, sprang aus dem Sattel, übergab das Pferd Soroka und ergriff wieder die Zügel vom Pferde des Fürsten. Lubieniec fuhr fort, das Pferd an der andern Seite zu halten.
»Geruhen Durchlaucht vom Pferde zu steigen?« sagte Pan Andreas.
»Wozu? Ich kann mich auch im Sattel stärken,« sagte der Fürst, indem er sich zu Kmicic niederbeugte.
»Steigen Sie herunter auf die Erde!« rief Kmicic drohend.
»Und du in die Erde!« schrie mit eigentümlicher Stimme der Fürst, und mit Blitzesschnelle die Pistole aus Kmicic' Gürtel reißend, schoß er ihm direkt ins Gesicht.
»Jesus Maria!« stöhnte Kmicic auf.
In diesem Augenblicke bäumte sich das Pferd des Fürsten hoch auf.
Der Fürst drehte sich schnell zu Lubieniec und schlug diesen aus allen Kräften mit seiner mächtigen Faust vor die Stirne.
Lubieniec schrie gellend auf und fiel vom Pferde. Ehe die übrigen begriffen hatten, was vorgefallen war, ehe noch ein Schrei sich ihren Lippen entringen konnte, raste Fürst Boguslaw schon wie der Sturm in der Richtung nach Pilwiszki dahin.
Drei Soldaten, die noch zu Pferde waren, setzten ihm nach. Soroka ergriff seine Muskete und zielte auf den Fliehenden, oder, richtiger gesagt, auf sein Pferd. Das Pferd flog wie ein aus einer Armbrust abgeschossener Pfeil dahin. Ein Schuß fiel. – Soroka stürzte vorwärts, um möglichst schnell das Resultat seines Schusses zu sehen. Dann rief er verzweifelt aus: »Fehlgegangen!«
Boguslaw und seine Verfolger verschwanden an einer Biegung des Weges.
Soroka befahl dann dem Schmied und seinen Gehilfen, schnell Wasser zu bringen. Der Schmied stürzte zum Brunnen, Soroka ließ sich auf den Boden neben den bewegungslos liegenden Pan Andreas nieder.
Kmicic' Gesicht war mit Ruß und Blut bedeckt. Die Augen waren geschlossen, die linke Braue, Wimper und Schnurrbarthälfte waren versengt. Der Wachtmeister betastete lange und vorsichtig seinen Schädel, schließlich brummte er: »Der Schädel ist heil!«
Kmicic gab noch immer kein Lebenszeichen von sich. Der Schmied brachte Wasser und einen Lappen, und Soroka begann mit gewohnter Vorsicht, das Gesicht des Verwundeten abzuwaschen. Schließlich zeigte sich unter dem Blute die Wunde. Die Kugel war in die linke Backe gedrungen und hatte ein Stück des Ohrlappens mit fortgerissen. Soroka, der sich bald davon überzeugte, daß der Backenknochen unbeschädigt geblieben war, atmete erleichtert auf.
Das kalte Wasser und der Schmerz brachten Kmicic wieder zu sich. Sein Gesicht erzitterte; die Brust begann sich zu heben.
»Er lebt! Es ist ihm nichts geschehen!« rief Soroka erfreut. Und eine große Träne rollte über das Gesicht des finsteren Wachtmeisters.
In diesem Augenblicke kehrte Bilous, einer von den dreien, die dem Fürsten nachgesetzt waren, zurück.
»Nun, was?« fragte Soroka.
Der Soldat machte eine abwehrende Handbewegung.
»Nichts!«
»Und kommen die anderen bald zurück?«
»Die anderen kommen nie wieder!«
Der Wachtmeister legte Kmicic' Kopf vorsichtig auf die Schwelle der Schmiede nieder und sprang auf. »Wieso?«
»Pan Wachtmeister, dieser Mensch ist ein wahrer Hexenmeister! Zawratynski holte ihn als erster ein. Vor unseren Augen entriß der Fürst ihm den Säbel und erstach ihn. Wir hatten kaum Zeit, aufzuschreien. Witkowski, der ihm am nächsten war, stürzte zu Hilfe. – Auch den stach er in einem Augenblicke nieder, gleich, als ob ein Blitz ihn zerschmetterte. – Witkowski schrie nicht einmal mehr auf. – Und ich wartete gar nicht mehr ab, bis die Reihe an mich kam. – Pan Wachtmeister, ich glaube, der wird zurückkehren.«
»Wir haben hier nichts mehr zu suchen,« schrie Soroka. »Die Pferde her!«
Sie begannen mit vereinten Kräften eine Bahre für Kmicic
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