Sintflut
hat er die Oberhand gewonnen, aber wir begegnen uns doch noch einmal, Fürst Boguslaw.« – Und zu dem Wachtmeister gewandt: »Warum hast du die Landstraße verlassen?«
»Ich fürchtete eine Verfolgung.«
»Das hast du klug getan. Wir sind jetzt viel zu wenige, um gegen Boguslaws Kräfte aufzukommen, – wahrhaftig verteufelt wenige! – Außerdem, er wird nach Preußen aufbrechen, wo wir ihn doch nicht verfolgen können. Jetzt heißt es abwarten.«
Soroka atmete erleichtert auf. So fürchtete also Pan Kmicic nicht die Zauberkraft des Fürsten, da er so ruhig von einer Verfolgung sprechen konnte. Diese Sicherheit teilte sich auch gleich dem Soldaten mit, der gewohnt war, mit dem Kopfe des Obersten zu denken.
Pan Andreas erwachte aus seinem tiefen Nachdenken, in das er für einige Zeit verfallen war, und begann eifrigst mit seinen Händen an sich herumzutasten.
»Wo sind meine Briefe?« fragte er.
»Was für Briefe?«
»Die Briefe, die ich bei mir hatte. – Sie waren im Gürtel versteckt. – Wo ist mein Gürtel?« fing er mit fieberhafter Hast an zu suchen.
»Ich selbst habe Ihnen den Gürtel abgenommen, damit er Sie nicht am Atmen hindere. Da ist er.«
Soroka brachte einen Ledergurt, an dem mehrere Taschen hingen, die durch Schnüre geschlossen waren, Kmicic begann eilig, die Papiere herauszunehmen.
»Das sind die Briefe an die schwedischen Kommandanten; wo aber sind die anderen Briefe?« fragte er unruhig.
»Welche Briefe?« fragte Soroka.
»Zum Teufel! Die Briefe des Hetmans an den König von Schweden, alle die Briefe!«
»Wenn sie nicht im Täschchen sind, so werden sie unterwegs verloren gegangen sein.«
»So steigt aufs Pferd und sucht sie!« rief Kmicic mit zorniger Stimme.
Ehe noch der erstaunte Soroka das Zimmer verlassen hatte, warf Pan Andreas sich aufs Bett, preßte die Hände an den Kopf und stöhnte wiederholt auf:
»Meine Briefe! Meine Briefe!«
Die Soldaten waren bis auf einen, dem Soroka befohlen hatte, bei der Hütte Wache zu halten, fortgeritten, und Kmicic war allein und begann, über seine nicht sonderlich beneidenswerte Lage nachzudenken. Über ihm schwebte die fürchterliche Rache der mächtigen Radziwills, über ihm und allen denen, die er liebte. Er wußte, daß Fürst Janusz sich nicht scheuen würde, ihn an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen, daß er seine Rache an Panna Billewicz auslassen würde. Und Alexandra war in Kiejdane ganz der Macht des gefürchteten Magnaten, dessen Herz kein Mitleid kannte, ausgeliefert. – Je mehr Kmicic nachdachte, desto klarer erkannte er, in welch' unglückseliger Lage er sich befand. Nach Boguslaws Entführung galt er in Radziwills Augen als ein Verräter und Parteigänger Jan-Kasimirs; die Konföderierten und Sapiehas Anhänger sahen in ihm einen Diener Radziwills, also auch einen Verräter, und die fremden Heere, die augenblicklich die Republik besetzt hielten, haßten ihn als ihren größten und erbittersten Gegner. Chowanski hatte auf seinen Kopf einen hohen Preis gesetzt, und Radziwill, die Schweden und vielleicht auch die unglücklichen Parteigänger Jan-Casimirs werden nicht zögern, ein gleiches zu tun.
»Da hast du dir eine schöne Suppe eingebrockt, nun löffle sie aus,« dachte Kmicic bei sich. – Er hatte beabsichtigt, den entführten Boguslaw den Konföderierten auszuliefern, um ihnen einen unzweifelhaften Beweis zu liefern, daß er alle Beziehungen zu den Radziwills abgebrochen habe; er wollte sich in ihrer Mitte einen Platz sichern, um für den König und das Vaterland zu kämpfen. Gleichzeitig hatte Boguslaw ihm als Bürge für Alexandras Sicherheit dienen sollen. – Und jetzt war es alles umsonst. Alexandra war in Gefahr, und er konnte durch nichts beweisen, daß er Radziwills Sache verlassen hatte. Die Konföderierten werden glauben, er wolle sie ausspionieren, wolle Mißtrauen unter den Truppen säen und wohl gar Mannschaften für Radziwill anwerben. – »Wie kann ich zu ihnen gehen?« überlegte er.
»Die Pest wird ihnen ein lieberer Gast sein, als ich in eigener Person. – Wenn ich nur wenigstens die Briefe hätte, so könnte ich mir durch sie Eintritt in das Lager der Konföderierten verschaffen; ich würde den Janusz in meinen Händen haben, ich könnte den Kredit des Hetmans bei den Schweden erschüttern; ich könnte Alexandra durch diese Briefe loskaufen, – und jetzt hat ein böser Geist mir auch diese letzte Hilfe entrissen!« – Kmicic schlug sich verzweifelt vor seine Stirn. – »Ein Verräter
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