Sintflut
mich freizulassen; sie haben mir fast die Arme ausgerenkt. Ich werde sie hängen oder pfählen lassen.«
»Das sind keine Knechte, das sind Schlachtschitzen. – Und was die Strafe anbelangt, mit der Sie sie bedrohen, so wollen wir es dahingestellt sein lassen, wen von uns der Tod zuerst ereilen wird.«
»Befehlen Sie ihnen, mir die Arme freizugeben!«
»Ich werde die Hände Euer Durchlaucht auf dem Rücken zusammenbinden lassen. So wird es bequemer sein.«
»Nein, so werden sie mir die Arme ganz ausrenken!«
»Einen anderen würde ich auf sein Wort hin frei lassen. Aber Sie verstehen es zu gut, Ihr Wort zu brechen!« antwortete Kmicic.
»Ich werde Ihnen ein anderes Wort geben, das ich sicherlich halten werde. Ich werde nicht nur die erste Gelegenheit benutzen, mich zu befreien, sondern ich werde Sie durch Pferde zerreißen lassen, sobald ich Ihrer habhaft werde.«
»Sei dem, wie ihm sei! Mir ist eine aufrichtige Drohung lieber, als ein falsches Versprechen. Gebt ihm die Arme frei! Den Gaul führt am Zügel. Und Sie, Durchlaucht, nehmen Sie sich in acht. Ein Druck auf den Hahn genügt, um Ihnen eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Sitzen Sie also ruhig und versuchen Sie nicht, zu fliehen.«
»Sie wagen es nicht, Pan Kmicic, mir in die Augen zu sehen, deshalb bleiben Sie stets hinter mir,« sagte Boguslaw.
»Durchaus nicht,« entgegnete Pan Andreas. Er schob Zawratynski bei Seite und sah Boguslaw direkt in die Augen.
»Wie finden Sie übrigens mein Pferd? Habe ich übertrieben?«
»Ein feines Tier,« pflichtete der Fürst ihm bei. »Wollen Sie, so kaufe ich es!«
»Ich danke Ihnen! Zu viel Ehre für den Gaul, auf seinem Rücken einen Verräter zu tragen.«
»Sie sind ein Narr, Pan Kmicic!«
»Weil ich den Radziwills traute!«
»Sagen Sie, Pan Kmicic,« sagte der Fürst nach einer kleinen Pause, »sind Sie überzeugt davon, daß Sie noch bei Verstand sind? Wahnsinniger, haben Sie sich nie gefragt: Was tust du? Ist es Ihnen nie in den Kopf gekommen, daß es für sie besser wäre, Sie wären nie zur Welt gekommen? Weder in Polen, noch in ganz Europa würde sich jemand finden, der eine solche wahnwitzige Tat gewagt hätte.«
»Dann ist die Tapferkeit in Europa ausgestorben. Ich aber entführe Euer Durchlaucht, halte Euch fest und geb' Euch nicht frei. Söhnen sich Durchlaucht nur mit dem Gedanken aus, daß Sie in meinen Händen sind, und verschwenden Sie nicht unnütze Worte. Eine Verfolgung haben wir nicht zu befürchten, denn Ihre Leute denken, daß Sie freiwillig mit uns gekommen sind. Zwei Stunden wird man geduldig warten, die dritte und vierte wird man sich beunruhigen, in der fünften erst wird man anfangen, nach Ihnen zu suchen. Wir aber werden unterdessen schon lange hinter Maryampol sein.«
»Nun, und was folgt daraus?«
»Daraus folgt, daß man uns nicht einholen kann. Dazu kommt noch, daß Ihre Pferde noch von der weiten Reise ermattet sind, unsere aber schon Zeit hatten, sich zu erholen. Doch selbst, wenn man uns einholte, so kann Ihnen das nicht von Nutzen sein. In diesem Falle würde ich Ihnen ohne Zögern den Kopf zerschmettern. – Das alles folgt daraus. – Radziwill hält sich einen Hof, Truppen, Dragoner, – Kmicic hat nur sechs Soldaten, und doch hat Kmicic Radziwill beim Kragen.«
»Was aber weiter?« fragte der Fürst.
»Weiter nichts. – Wir reiten dorthin, wo es mir beliebt. Danken Sie Gott, Durchlaucht, daß Sie noch am Leben sind. Hätte ich mir heute früh nicht mehrere Eimer kaltes Wasser über den Kopf gießen lassen, so wären Sie schon im Jenseits oder richtiger in der Hölle, wo Sie als Calvinist oder Verräter hingehören.«
»Und Sie haben das alles gewagt?«
»Ich wiederhole Euer Durchlaucht, ohne zu prahlen, daß es nichts gibt, was ich nicht wagen würde. Der beste Beweis davon sind Sie selbst.«
Der Fürst sah dem jungen Ritter aufmerksam ins Gesicht und sagte:
»Der Teufel selbst hat es auf Ihr Gesicht geschrieben, daß Sie zu allem bereit sind. – Aber, das sage ich Ihnen, wenn mir auch nur ein einziges Haar gekrümmt wird, die Radziwills werden Sie zu finden wissen, selbst, wenn Sie unter der Erde sind. Wenn Sie auf die augenblickliche Uneinigkeit in unserer Familie zählen, so haben Sie sich sehr verrechnet. Das Blut eines Radziwill wird gerächt werden, man wird an Ihnen ein Beispiel statuieren. – Selbst im Auslande werden Sie vor unserer Verfolgung nicht sicher sein. – Der deutsche Kaiser wird Sie ausliefern, denn ich bin ein Fürst des deutschen
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