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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Kopf senkte. »Wir sind es nicht wert, daß unsere Augen auf die Heiligtümer von Jasna-Gora blicken dürfen. Heilige Beschützerin! Zufluchtsstätte der Sünder! Wir sind unwürdig! unwürdig!«
    Er bückte sich tief, so tief, daß seine gierige Hand bis zur Börse reichte, die auf dem Boden lag.
    »Aber auch außerhalb dieser Mauern werden wir nicht aufhören, Euer Gnaden zu dienen. – Sobald sich irgendwo etwas Besonderes ereignet, werden wir Ihnen Nachricht geben. Alles, alles ist von Wert. Auch jenseits der Mauern stets bereite Verteidiger zu haben.«
    »Fort mit euch!« schrie Pan Andreas.
    Kiemlicz ging mit seinen beiden Söhnen rückwärts hinaus, indem sie sich immer wieder tief verbeugten. –
    Es war am achten November: eine dunkle, regnerische Nacht brach herein. Mit dem Regen zugleich fielen die ersten nassen Schneeflocken, die den Anzug eines frühen Winters verkündeten. Die Stille der Nacht wurde nur durch die Rufe der Wachen unterbrochen, und im Dunkeln schimmerte bald hier, bald dort der weiße Mönchsrock des Paters Kordecki.
    Kmicic schlief nicht. Er war mit Pan Czarniecki auf der Mauer, dem er Episoden aus dem Kriege mit Chowanski erzählte. Czarniecki berichtete seinerseits, nicht ohne stark zu übertreiben, von Zusammenstößen mit den Schweden.
    Plötzlich rief Kmicic:
    »Sie nahen!«
    »Wer, was sagen Sie?«
    »Ich höre Reiter ankommen!«
    »Das ist der Regen, der auf die Dächer fällt!«
    »Aber nein doch, Gott! Das ist nicht der Regen, das ist das Trappeln von Pferden. Mein Gehör ist durch Erfahrungen geschärft. Es ist eine große Reiterabteilung, und sie ist nahe, nur der Wind übertönt sie! – Die Wache! Die Wache!«
    Kaum verhallte Kmicic' Stimme, als von unten, aus der Dunkelheit her, Trompetenstöße erschollen. Die Wachen sprangen von ihren Plätzen auf, die Mönche, die Edelleute und die Soldaten eilten aus ihren Zellen herbei. Bald mischte sich das Geläut aller Klosterglocken in den durchdringenden Schall der Trompeten.
    Pater Kordecki befahl, die bereit gehaltenen mit Teer gefüllten Fässer anzuzünden. Ihr roter Widerschein beleuchtete den Fuß des Felsens, und vor den Augen der Jasna-Goraer zeigte sich eine Gruppe Trompeter, hinter denen dichte Reiterscharen mit wehenden Fahnen folgten.
    Die Trompeter bliesen unaufhörlich, als wenn sie durch die durchdringenden Töne ihrer Trompeten die ganze Kraft der schwedischen Macht schildern und die Mönche gänzlich einschüchtern wollten. Endlich ritt einer aus ihren Reihen heraus, und indem er ein weißes Tuch entfaltete und damit umherwehte, nahte er sich den Toren.
    »Im Namen Seiner Königlichen Majestät,« schrie der Trompeter, »des Königs der Schweden, Goten und Vandalen, des Großfürsten von Finnland, Estland, Karelien, Bremen, Stettin und Pommern, des Herrschers von Ingermanland, Wismar und Bayern, öffnet!«
    »Man lasse ihn herein!« erscholl die Stimme Kordeckis.
    Der Reiter hielt eine Minute später vor einer schmalen Pforte im Tore, stieg vom Pferde und näherte sich einer Gruppe von Mönchen, denen er ein versiegeltes Schreiben übergab.
    »Der Pan Graf wird bei der heiligen Barbara auf Antwort warten,« sagte er.
    Der Prior berief die ganze Schlachta zur Beratung in den Konferenzsaal.
    »Gehen wir,« sagte Czarniecki zu Kmicic.
    »Meinetwegen, nur aus Neugierde. Das Beraten ist nicht meine Sache, ich tue, was man mir befiehlt.«
    Der Brief des Grafen Wrzeszczowicz lautete:
    »Ihnen, heilige Väter, ist meine Hochachtung vor Ihrer heiligen Stätte und Ihrem ganzen Orden bekannt. Sie wissen auch, daß ich ständig für Sie eingetreten bin und kennen die Dienste, die ich Ihnen erwiesen habe. Ich möchte Ihnen daher noch einmal versichern, daß ich Ihnen bis auf den heutigen Tag noch ebenso ergeben und gewogen bin wie vordem. Ich komme nicht als Ihr Feind, sondern als Freund. Stellen Sie ohne jedes Bedenken Ihr Kloster unter meinen Schutz; denn die jetzige Lage erfordert dies. Sie werden sich auf diese Weise Ruhe und Sicherheit verschaffen. Ich schwöre Ihnen, daß sämtliche Heiligtümer unangetastet, daß all Ihre Schätze unberührt bleiben werden. Bedenken Sie, welche Vorteile Sie dadurch gewinnen, wenn Sie das Kloster meinem Schutze anvertrauen. Denn schreckliche Gefahren drohen Ihnen durch den General Müller, der ein Ketzer und Feind Ihres Glaubens ist. Wenn er kommt, wird er Sie mit Gewalt unterwerfen, und Sie werden es bereuen, meinen Rat verschmäht zu haben.«
    Die Mönche gerieten alle in Aufregung,

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