Sintflut
diente unter General Müller, und als Mann mit weitem Blick bemühte er sich, den grimmigen General von der Idee einer Belagerung Jasna-Goras abzubringen. Müller jedoch gab Wrzeszczowicz' Ratschlägen den Vorzug. Der Feldzug gegen Czenstochau war eine beschlossene Sache.
Obwohl das Kloster mit seinen Vorbereitungen zum Empfang der Gäste fast fertig war, so regten sich die Hände jetzt noch eifriger, um alles möglichst widerstandsfähig zu machen. Der Sieradzker Miecznik befahl, die Läden, die die Klostermauern dicht umgaben, sowie die Gebäude auf den nächst liegenden Anhöhen niederzubrennen, um den Kanonen einen offenen Ausblick zu verschaffen. Ihre schwarzen, offenen Rachen blickten weit in die Ferne, als wenn sie mit Ungeduld darauf warteten, den Feind mit ihrer schrecklichen Begrüßung empfangen zu können.
Inzwischen nahte der Winter mit raschen Schritten. Ein scharfer Nordwind erhob sich, und das Wasser begann sich des Nachts mit einer dünnen Eisschicht zu bedecken.
Als Pater Kordecki dies bei seinem Rundgange auf den Mauern sah, rieb er sich seine blau gewordenen Hände und lächelte:
»Der Herrgott schickt uns den Frost zu Hilfe! Jetzt ist's mit den Erdarbeiten eine schlechte Sache, und der scharfe Nordost wird dem Feinde auch bald zu viel werden.«
Diese Gründe waren es auch, die Burchard Müller trieben, seine Sache so schnell als möglich zu beenden. Er führte neuntausend Mann, zumeist Fußvolk, und neunzehn Kanonen nach Czenstochau. Er hatte auch zwei Banner polnischer Reiterei bei sich, aber es war kein rechter Verlaß auf sie; denn die Polen gingen nur ungern mit und sorgten zumeist dafür, daß sie an den Kämpfen keinen Anteil zu nehmen brauchten. Die Obersten versicherten ihren Soldaten, daß sie zwar den schwedischen Befehlen gehorchen müßten, daß sie aber hauptsächlich deshalb mitzögen, um im Falle einer Übergabe die Festung vor der übermäßigen Raubgier der Sieger zu schützen.
Die Belagerung sollte am achtzehnten November ihren Anfang nehmen. Der schwedische General rechnete, daß sie nicht länger als zwei Tage dauere, und daß er die Festung mit Gewalt oder Güte nehmen könne.
Währenddessen bereitete der Prior die Seelen der Verteidiger auf den bevorstehenden Kampf vor. Er setzte eine feierliche Messe an und ließ die großen und die kleinen Glocken läuten. Als die Messe beendet war, ging eine Prozession die Festungsmauern entlang. Der Wind hatte sich gelegt, und die Herbstsonne überflutete mit ihrem blaßgoldenen Licht die Erde.
Der Prior segnete das Volk, die Truppen, die Fahnen, die in ihren bunten Farben weithin leuchteten. Er segnete die Mauern und Kanonen, die in der Ferne liegenden Dörfer, Nord und Süd, Ost und West, als wollte er über alles Gottes Segen herabrufen.
Die Turmuhr schlug zwei, und die Prozession war noch immer auf den Mauern. Plötzlich bewegte sich der Nebel am Horizonte, und es begannen, zuerst undeutlich, dann immer klarer, sich Gegenstände vom Himmel abzuheben. Es erscholl der Ruf: »Die Schweden kommen, die Schweden!«
Dann trat mit einem Male Stille ein; es schien, daß irgend eine Macht allen die Kehlen zuschnürte, und nur die Glocken fuhren unentwegt fort zu läuten. Gleich darauf vernahm man die laute, ruhige Stimme des Paters Kordecki:
»Freut euch, Brüder! Der Augenblick des Wunders und des Sieges naht!«
Die schwedische Armee kroch wie eine ungeheure Schlange immer näher heran. Fast konnte man ihre Glieder unterscheiden. Bald rollte sie sich wie ein Knäuel zusammen, bald streckte sie sich lang aus und leuchtete mit ihren Stahlschuppen. So kroch sie dahin, näher und näher kommend, und sich von dem grauen Hintergrunde des Himmels immer klarer abzeichnend.
Zuerst kam die Reiterei; ihr folgten die Vierecke der Infanterie, deren nach oben gerichtete Spieße weit hervorsahen. Dahinter folgten die Kanonen mit ihren nach unten gerichteten Rachen. Auf der holprigen Landstraße klapperte eine endlose Kette von Fuhren, die mit Pulverkisten, Zelten und allerlei Kriegsgepäck beladen waren.
Drohend, aber zugleich majestätisch war der Anblick der regulären Truppen, die an den Augen der Jasnogoraer vorbeizogen. Die Kavallerie trennte sich bald von den anderen Soldaten und fing an, im Galopp heranzusprengen. Sie teilte sich in mehrere Abteilungen. Einige näherten sich direkt der Festung, andere ergossen sich auf der Suche nach Beute in die benachbarten Dörfer, und wieder andere besichtigten das Terrain und besetzten die an der
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