Sintflut
Sie gedachten der freigiebigen Spenden Wrzeszczowicz', und viele waren der Meinung, daß der einzige Weg, allen Gefahren vorzubeugen, der wäre, Wrzeszczowicz' Rate zu folgen.
Endlich begann Pater Kordecki:
»Kommt ein wirklicher Freund des Nachts und weckt die Diener Gottes durch Trompetenstöße? Erscheint er an der Spitze von Tausenden von bewaffneten Soldaten, wie jetzt vor unseren Mauern stehen? Warum ist er nicht mit einem kleinen Gefolge gekommen? Was bedeuten diese bewaffneten Regimenter, wenn nicht eine Drohung für den Fall, daß wir das Kloster nicht ausliefern? Brüder, bedenkt, daß der Feind nie sein Wort gehalten, daß er weder Schwüre noch Schutzbriefe geachtet hat. Der König hat uns freiwillig einen solchen Brief geschickt, er hat uns versprochen, daß unser Kloster unbehelligt bleiben solle, und dennoch stehen vor unseren Mauern schon Truppen, die mit Trompeten verkünden, daß ein Wort des Königs keine Bedeutung habe. Brüder, betet, daß der heilige Geist uns erleuchte, und sagt eure Meinung!«
Die darauf eintretende Stille unterbrach Kmicic' Stimme.
»In Kruczyn habe ich gehört, wie Lisola fragte: »Und werden Sie in die Schatzkammer der Mönche keinen Einblick tun?« – Und Wrzeszczowicz, derselbe, der jetzt vor unseren Toren steht, erwiderte: »Die Mutter Gottes bedarf nicht der Taler in der Kasse des Priors.« – Und jetzt schreibt derselbe Mann, daß er die heiligen Schätze nicht berühren wird. Überlegen Sie, wie wenig man ihm trauen darf.«
»Der Krieg ist nicht unser Handwerk,« sagte Pater Tomicki, »hören wir die Ritter an, die sich unter den Schutz der Mutter Gottes gestellt haben.«
»Hier handelt es sich um Sie und Ihr Schicksal, heilige Väter,« begann Zamoyski: »Vergleichen Sie die Kraft des Feindes mit der unseren, und entscheiden Sie selbst. Dürfen wir, Ihre Gäste, Ihnen denn raten? Wenn Sie uns aber fragen, was zu tun sei, so antworten wir: Jedweder Gedanke an eine Übergabe ist fern von uns. – Schmach und Schande dem, der seine Ruhe mit dem Preise der Ehre und Würde verkauft. Aus freiem Willen haben wir mit Weib und Kindern hier Unterkunft gesucht; wir sind entschlossen, mit euch zu leben, und, wenn Gott es so bestimmt, mit euch zu sterben. Uns ist der Tod lieber als die Schande, der Entweihung der heiligen Stätte beizuwohnen.«
Der Pan Miecznik verstummte, und auch die anderen schwiegen alle; nur Kmicic, der gewohnt war, seinen Gefühlsregungen nachzugehen, ging auf den alten Mann zu und drückte seine Hand an die Lippen.
»So wollen wir Widerstand leisten,« sagte schließlich Kordecki, »denn noch nie haben Belagerte eine solche Zuflucht gehabt wie wir!«
»Opfern wir uns! Glauben wir weder den Ketzern noch solchen Katholiken, die sich in den Dienst des Feindes gestellt haben!« erschollen viele Stimmen.
Der Rat beschloß, zwei Mönche zu Wrzeszczowicz zu schicken mit der Meldung, daß die Tore geschlossen bleiben und die Belagerten sich verteidigen werden, wozu ihnen der Schutzbrief des Königs ein volles Recht gäbe. Zugleich sollten die Abgesandten den Grafen bitten, die Belagerung so lange aufzuschieben, bis eine Antwort des Paters Theophil Broniewski, des Ordensoberen, der gerade in Schlesien weilte, eingetroffen wäre.
Nach einer halben Stunde kehrten beide Mönche zurück und erschienen wieder im Konferenzsaal. Ihre Köpfe waren gesenkt, ihre Gesichter bleich und traurig. Pater Kordecki entnahm ihren Händen den Brief Wrzeszczowicz' und verlas ihn laut. Der Graf stellte Bedingungen, auf Grund deren die Mönche ihre Kapitulation erklären sollten.
Als der Prior zu Ende gelesen hatte, blickte er stumm alle Anwesenden der Reihe nach an, dann sagte er feierlich:
»Im Namen des Vater, des Sohnes und des heiligen Geistes! Im Namen der heiligen und unbefleckten Mutter Gottes! Auf die Mauern, liebe Brüder!«
»Auf die Mauern! Auf die Mauern!« erscholl der einmütige Ruf.
Es vergingen kaum einige Minuten, als eine helle Flamme den Fuß des Klosters erleuchtete. Wrzeszczowicz hatte befohlen, die Gebäude der Kirche der heiligen Barbara anzünden zu lassen. Das Feuer erfaßte schnell all die alten Gebäude und nahm mit jeder Minute an Stärke zu.
Beim Scheine der roten Flamme sah man, daß Reiterabteilungen sich hin und her bewegten. Man begann zu plündern. Die Reiter trieben das Vieh aus den Ställen. Die Kühe brüllten klagend, und die Schafe sammelten sich in Haufen und stürzten sich ins Feuer. Die Mehrzahl der Belagerten sah zum ersten
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