Sintflut
Male das blutige Gesicht des Krieges, und ihre Herzen schnürten sich unwillkürlich angstvoll zusammen bei dem Anblick der zu Tode erschrockenen Bevölkerung, die von den Soldaten verfolgt wurde. Alles dies war klar von den Mauern aus zu sehen, sogar Geschrei und einzelne Worte drangen deutlich an die Ohren der Klosterbewohner. Da die Kanonen des Klosters bisher noch schwiegen, so sprangen mehrere Reiter von ihren Pferden und näherten sich dem Fuße des Berges, indem sie ihre Schwerter und Musketen drohend schwangen. Von Zeit zu Zeit rief ein großer Mann in gelber Uniform mit trichterförmig vor den Mund gehaltener Hand ein Meer von Schimpfworten zum Kloster hinauf. Die Belagerten hörten alles geduldig mit an; sie standen mit angezündeten Lunten still bei ihren Kanonen.
Pan Kmicic war mit Pan Czarniecki zusammen auf der Mauer. Seine Wangen hatten sich mit heller Röte überzogen, seine Augen brannten wie zwei Lichter, und in seinen Händen drückte er nervös die Armbrust, die sein Vater bei Chocim erbeutet hatte. Er hörte den Schimpfworten des Reiters zu, endlich sagte er zu Pan Czarniecki:
»Mein Gott! Jetzt beleidigt dieser Mensch die unbefleckte Jungfrau. Ich verstehe deutsch. Es ist schrecklich mit anzuhören. Ich halte das nicht aus!« Und er griff zur Armbrust und legte an. Pan Czarniecki aber schlug mit der Hand auf die Armbrust.
»Gott wird ihn strafen,« sagte er. »Pater Kordecki hat nicht erlaubt, daß wir zuerst schießen; sie sollen den Anfang machen.«
Kaum hatte er ausgeredet, als der Reiter seine Muskete abschoß.
»Nun ist's erlaubt?« rief Kmicic.
»Jetzt, ja,« antwortete Czarniecki.
Kmicic wurde sofort ruhiger. Der Reiter, der mit der Hand sein Auge schützte, verfolgte seine Kugel. Kmicic zog seine Armbrust an, und mit den Worten »ein Toter! ein Toter!« schoß er sie ab.
Dem Reiter entsank die Muskete; er machte mit den Händen eine verzweifelte Bewegung nach oben und fiel rücklings zu Boden. Eine Minute lang zappelte er wie ein aus dem Wasser gezogener Fisch, dann streckte er sich plötzlich aus und blieb regungslos wie erstarrt liegen. Ein anderer Reiter näherte sich der Leiche, fiel aber bald, von einem zweiten Pfeil Kmicic' getroffen, nieder.
Endlich ertönten die Feldgeschütze Wrzeszczowicz'. Pater Kordecki trat zu Pan Czarniecki. Ihm folgte Pater Dobrosz, der in Friedenszeiten der Artillerie des Klosters vorstand und an Festtagen Salute abschoß. Er galt daher als erfahrener Artillerist. Der Prior segnete eine Kanone und wies mit der Hand auf sie. Pater Dobrosz streifte seine Ärmel hoch und begann, sie auf eine Reitergruppe, an deren Spitze ein Offizier mit gezogenem Degen stand, zu richten. Er zielte lange; es handelte sich ja um seinen Ruf. Endlich näherte er die Lunte dem Zündloch. Als sich der Rauch verzog, war kein Reiter mehr auf der Stelle zu sehen. Mehrere lagen mit ihren Pferden auf der Erde, die anderen flohen. Auf den Mauern erscholl der Gesang der Mönche. Es wurde immer finsterer, nur Tausende von Funken fielen, sich langsam drehend, zu Boden.
Die Trompeter Wrzeszczowicz' fingen wieder an zu blasen, aber der Schall der Trompeten klang mehr und mehr entfernt. Wrzeszczowicz zog sich mit seinen Soldaten zurück.
Pater Kordecki fiel in die Kniee.
»Maria! Mutter des einzigen Sohnes!« sprach er mit starker Stimme, »gib, daß der, der nach ihm herkommt, sich mit dem gleichen unbefriedigten Groll zurückziehen muß.«
Plötzlich lichteten sich die Wolken über dem Kopfe des Priors. Ein Heller Mondstrahl beleuchtete die Türme, die Mauern, den knieenden Prior und die rauchenden Ruinen der Gebäude. – –
13. Kapitel.
Am Fuße von Jasna-Gora trat Ruhe ein, und die Mönche bereiteten sich eifrig weiter zur Verteidigung vor. Aus der Umgegend meldete sich eine Schar von Bauern, die ehemals bei der Infanterie gedient hatten, mit der Bitte, in die Garnison aufgenommen zu werden. Pater Kordecki arbeitete unermüdlich. Er hielt den Gottesdienst ab, präsidierte in den Beratungen, inspizierte die Mauern, unterhielt sich freundlich mit der Schlachta und mit den Bauern und verstand es, überall zu ermuntern und zu trösten.
Die Väter fanden ihn oft beim Schreiben von Briefen, die er nach allen Richtungen aussandte. Er schrieb an Wittemberg und bat um Gnade für die heilige Stätte, an Jan-Kasimir, der in Opola die letzten Anstrengungen machte, das undankbare Vaterland zu retten, an Wrzeszczowicz und an den Oberst Sadowski. Dieser, ein Tscheche und Lutheraner,
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