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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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zu sehen.
    Der Nuntius sah mit Staunen auf diese wunderlichen, großen, kraftvollen Männer, die ihre rauchenden Beile hochhielten.
    Als die treuen Bergbewohner erfuhren, wen sie gerettet hatten, umringten sie Jan-Kasimir; sie küßten weinend seine Füße, seine Steigbügel, ja sogar die Hufe seines Pferdes.
    Der König stand in ihrer Mitte wie ein Hirt, umringt von seiner Herde, und große, reine Tränen perlten langsam über seine Wangen.
    Nun erfuhren die Begleiter des Königs, daß die Schweden sich schon lange in dieser Gegend aufgehalten hatten, als wenn sie jemandem auflauerten, und daß die Bergbewohner sie absichtlich in diese Schlucht gelockt hätten, um sie hier zu überfallen.
    »Und jetzt,« fuhr einer der Männer fort, »sahen wir drei Reiter auf diese Räuber losschlagen, dann sind wir schnell zu Hilfe gekommen.«
    Bei diesen Worten griff der König sich an den Kopf.
    »Herrgott!« rief er erschrocken, »man muß sogleich Babinicz suchen; er soll wenigstens anständig begraben werden! Er, den man für einen Verräter hielt, war der erste, der für mich sein Blut vergossen.«
    »Ich bereue meinen Irrtum bitter,« fügte Tyzenhauz hinzu.
    »Sucht ihn nur! Sucht ihn nur!« schrie der König. »Ich gehe keinen Schritt von dieser Stelle, bevor ich ihn nicht gesehen, nicht von ihm Abschied genommen habe.«
    Alle stürzten zu der Stelle, wo der Kampf stattgefunden hatte, und bald zog man Pan Andreas unter Leichen von Menschen und Pferden heraus. Sein Gesicht war bleich und mit Blut bespritzt: seine Augen fest geschlossen. Sein Panzer, der zwar durch feindliche Säbelhiebe gespalten und von Pferdehufen zerdrückt war, hatte ihm das Leben gerettet. Die Soldaten, die ihn aufrichteten, hörten den Verwundeten leise stöhnen.
    »Bei Gott! Er lebt!« rief ein Soldat und schnitt ihm die Riemen des Panzers durch.
    Kmicic atmete freier auf.
    »Er atmet, er lebt!« wiederholten mehrere Stimmen.
    Kmicic öffnete langsam die Augen. Ein Soldat flößte ihm Branntwein ein.
    In diesem Augenblicke ritt der König, der schon gehört hatte, daß Kmicic lebte, heran. Beim Anblicke Jan-Kasimirs kehrte dem Pan Andreas für einen Moment das Bewußtsein wieder. Ein fast kindliches Lächeln erleuchtete sein Gesicht, und die Lippen flüsterten:
    »Mein Herr, mein König – lebt! – ist frei!« –
    Und seine Augen füllten sich mit Tränen:
    »Babinicz! Babinicz! Womit werde ich dir das lohnen!« rief der König.
    »Ich bin nicht Babinicz! – Ich bin Kmicic!« flüsterte der Ritter. Dann streckte er sich krampfhaft aus und sank wie tot in die Arme der Soldaten zurück. – –

6. Kapitel.
    Der König, der den Versicherungen der Bergbewohner Glauben schenkte, daß der Weg bis zu Czorsztyn frei sei, machte sich mit seiner Begleitung auf und erreichte den Ort ohne jeden Zwischenfall. Die Nachricht von der Ankunft des Königs hatte sich nach allen Richtungen verbreitet, und von überall her strömten Volksmengen herbei, die mit Dreschflegeln, Sensen und Gewehren bewaffnet waren. Und so umgab Jan-Kasimir jetzt schon ein ganzes Tausend halbwilder Reiter, die bereit waren, für ihn durch Feuer und Wasser zu gehen.
    Bei Stari Soncz schloß sich dem Könige der alte Oberst Woynillowicz an, der soeben eine größere schwedische Abteilung geschlagen hatte. Bald zogen auch die Truppen des Kronmarschalls Jan-Kasimir entgegen. Voran ritt ein Husarenbanner, das Leibregiment des Marschalls, so glänzend ausgerüstet und bewaffnet, daß selbst ein König ihn um dieses Banner, über das ein Meer grün-schwarzer Fahnen wehte, beneiden konnte. Den Husaren folgte ein an Zahl noch größeres leichtes Kavallerieregiment, das mit gezogenen Degen und Armbrüsten auf den Schultern heranritt. Dann kamen Dragoner, Abteilungen verschiedener Pans, die sich gerade in Lubomla aufgehalten, Heiducken, Ungarn und Janitscharen, die im Dienste verschiedener Magnaten standen.
    Alle diese Truppen in ihren verschiedenen Ausrüstungen wechselten miteinander ab wie die Farben des Regenbogens und nahten mit Kesselgedröhn, Paukenschlägen und Rufen, mit so stürmischen Rufen, daß es schien, als müsse von dieser Erschütterung der Schnee von den Bergabhängen herunterstürzen.
    Hinter dem Heere fuhren in Kaleschen und Equipagen geistliche und weltliche Würdenträger. Der Kronmarschall, Pan Jerzy Lubomirski, kam auf einem schneeweißen Pferde angeritten; ihm folgten zwei Leibjäger, die vom Scheitel bis zur Sohle von Gold strotzten. Als der Marschall nur noch einige

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