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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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vor zwei Tagen vom Krimmer Chan zurückgekehrt war, überbracht hatte. Der Chan hatte erklärt, daß eine Armee von vierzigtausend Tataren zum Abmarsch bereit sei, und daß er diese Zahl auf hunderttausend erhöhen würde, sobald der König in Lemberg eingetroffen wäre und mit ihm ein Bündnis geschlossen hätte. Derselbe Abgesandte erzählte dann, daß die Kosaken unter dem Druck der tatarischen Drohungen gewillt wären, Frieden zu schließen.
    »Sie haben wahrhaftig an alles gedacht,« sagte der König, »wir selbst hätten es nicht besser machen können.«
    Jan-Kasimir ergriff seinen Becher und rief:
    »Die Gesundheit des Pan Kronmarschalls, unseres Wirtes und Freundes!«
    »O nein, Majestät, nein!« schrie Lubomirski, »der erste Toast, der in diesem Hause ausgebracht werde, gelte allein Euer Majestät!«
    Er gab ein Zeichen. Diener stürzten heran und füllten die Gläser aufs neue aus goldenen Krügen. Die Gäste erhoben sich alle von ihren Plätzen, und der Marschall rief aus Leibeskräften:
    » Vivat Johannes-Kasimirus rex! «
    »Vivat! Vivat! Vivat!«
    In dem gleichen Augenblicke erdröhnten draußen die Kanonen.
    Die Schlachta aus dem Nebenzimmer kam mit ihren Bechern herein und gratulierte dem Könige.
    Als das Festmahl schon fast beendet war, leuchtete es rings um das Schloß herum hell auf, und flackernde Lichtstrahlen drangen durch die Fenster in den Saal herein.
    »Was ist das?« fragte der König.
    Der Marschall führte ein wenig schwankend den König ans Fenster. Auf dem weiten Hofe warfen brennende Pechfässer ihr hellgelbes Licht auf das Pflaster, das dicht mit Tannenzweigen bestreut war.
    Draußen hatte man ein Turnier begonnen. Man hetzte einen Bären mit Hunden. Männer aus den Bergen von gigantischem Wuchs warfen Mühlsteine hoch in die Luft und fingen sie wieder auf. Erst um Mitternacht endeten die Ergötzlichkeiten.
    So empfing der Pan Kronmarschall den polnischen König, obwohl die polnische Erde noch unter den Fußtritten der schwedischen Eroberer blutete. – –

7. Kapitel.
    Weder die Festmahle, noch die Ankunft neuer Würdenträger, Ritter und Schlachtschitzen ließen Jan-Kasimir seinen getreuen Diener vergessen, der so opferwillig sein Leben für ihn in der Bergschlucht eingesetzt hatte. An dem der Ankunft in Lubomla folgenden Tage suchte der König Kmicic auf. Er fand ihn, obwohl bleich wie der Tod, fast heiter. Dank einem glücklichen Zufall waren alle Wunden des Ritters nicht lebensgefährlich; er hatte nur einen starken Blutverlust gehabt.
    »Nun, man hat Sie gut zugerichtet,« sagte der König. »Wie konnten Sie nur sich allein gegen so viele wagen?«
    »Das tue ich nicht zum ersten Male, Majestät. Ich glaube, daß im entscheidenden Augenblicke persönliche Tapferkeit und ein guter Säbel viel leisten können. – Übrigens, Majestät, habe ich auf meinem Körper schon so viele Narben wie kaum auf ein Stierfell hinaufgehen. So ist nun einmal mein Glück.«
    »Ihrem Glücke können Sie wirklich keine Vorwürfe machen, – denn Sie stürzen Hals über Kopf dahinein, wo man kaum mit dem Leben davonkommen kann. – Haben Sie auch früher stets so gehandelt? Und wo haben Sie das gelernt?« Kmicic' Wangen überflog eine leichte Röte.
    »Majestät, als einst alle die Hände sinken ließen, da kämpfte ich gegen Chowanski. Auf meinen Kopf hat Chowanski einen Preis ausgesetzt.«
    »Erlauben Sie,« unterbrach ihn plötzlich der König, »in der Bergschlucht sagten Sie mir etwas Eigentümliches, ich schrieb das dem beginnenden Fieber zu. – Jetzt aber erzählten Sie von einem Kriege mit Chowanski. – Wer sind Sie? Sind Sie wirklich nicht Babinicz? Wir wissen, wer Chowanski soviel Ungelegenheiten bereitete!«
    Es entstand einen Augenblick Stillschweigen. Endlich erhob der junge Ritter sein abgemagertes Gesicht und sagte:
    »Ja, Majestät, – ich sprach damals nicht im Fieber, ich sprach die Wahrheit. – Ich bin Andreas Kmicic, der Bannerträger von Orsza.«
    Kmicic schloß seine Augen und wurde noch bleicher. Der erstaunte König konnte kein Wort hervorbringen.
    »Ich, Majestät, bin wirklich jener Verräter, der von Gott selbst und den menschlichen Gerichten für Mord und Gewalttat zum Tode verurteilt ist. Ich stand in Radziwills Diensten und übte mit ihm gemeinsam an Ihnen und an dem Vaterlande Verrat. Und jetzt, von feindlichen Schwertern durchstochen, von Pferdehufen zertreten, unfähig, mich vom Krankenlager zu erheben, schlage ich mich vor die Brust und rufe: Ich habe

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