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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Schritte bis zum Könige hatte, stieg er ab, warf einem Leibjäger die Zügel zu und ging Jan-Kasimir zu Fuß entgegen. Mit entblößtem Haupte, in der Hand den mit Perlen übersäten Marschallstab, schritt er auf Jan-Kasimir zu. Er trug das polnische Nationalkostüm. Die Brust bedeckte ein Silberpanzer, der mit kostbaren Edelsteinen geschmückt war. Über seiner linken Schulter hing ein Mantel aus dunklem, venetianischem Samt, der am Halse durch eine Schnur mit einer Brillantschnalle gehalten wurde. Auch seine Mütze, die er auf den Säbelgriff gehängt hatte, blendete unerträglich durch die in den Sonnenstrahlen glitzernden Diamanten.
    Der Marschall stand in der Blüte seiner Jahre; er war von majestätischem Aussehen. Auf seinem Gesichte lagen unendlicher Stolz und unendliche Eitelkeit ausgeprägt. Sein Ehregeiz, seine Sucht nach Macht und sein Neid waren es, die späterhin seinen Namen noch verhaßter als den Janusz Radziwills machten. Denn dieser war ein Mann von großem Geist, der seine Ziele offen und mit der größten Energie verfolgte. Er erstrebte eine Krone, selbst wenn er zu diesem Zwecke über die Ruinen des Vaterlandes schreiten müßte. Lubomirski hätte ein gleiches gern erreicht. Die Krone aus den Händen der Schlachta zu erhalten, war sein höchster Wunsch; aber es fehlte ihm an Wagemut und Energie; er war stets beseelt von der Furcht, an äußerem Ansehen verlieren zu können, was seine Eitelkeit nie verwunden hätte.
    In dem Augenblicke, als sich der Marschall dem Könige näherte, waren seine Eitelkeit und sein Hochmut vollständig befriedigt. Er war der erste Magnat, der den König auf seinem Boden empfing; er war der erste, der den König unter seinen Schutz nahm. Er sollte ihn wieder auf seinen wankenden Thron erheben; von ihm erwartete der König und das Vaterland alles; auf ihn hatte sich die allgemeine Aufmerksamkeit gelenkt. Und das alles entsprach seinen Wünschen und Neigungen so vollkommen, daß er zu jedem Opfer bereit war.
    Jan-Kasimir wollte vom Pferde steigen, als Lubomirski auf ihn zuschritt. Dieser sprang schnell hinzu, um den königlichen Steigbügel mit seinen Magnatenhänden zu halten. Dann nahm der Marschall seinen Mantel ab und legte ihn unter die Füße des Königs.
    Der König, auf tiefste gerührt, umarmte den Marschall. Einen Augenblick konnten beide kein Wort sprechen.
    »Pan Marschall,« sagte endlich der König, »Ihnen werde ich die Auferstehung meiner alten Macht zu danken haben.«
    »Majestät!« entgegnete Lubomirski, »mein Leben, meinen Ruf, alles, was ich besitze, – alles lege ich zu den Füßen Euer Majestät nieder.«
    »Vivat! Vivat König Jan-Kasimir!« donnerte es in den Reihen der Truppen.
    Der König nahm mit dem päpstlichen Nuntius in einer Equipage Platz, die Bischöfe und Senatoren bestiegen auch einen Wagen, und der ganze Zug setzte sich nach Lubomla zu in Bewegung. Der Pan Marschall ritt neben dem königlichen Wagen, stolz, selbstzufrieden, als wenn man ihn zum Vater des Vaterlandes erklärt hätte.
    Als man in Lubomla anlangte, ertönten von den Türmen Salutschüsse, und alle Glocken läuteten. Der Schloßhof, die Veranda und die Treppe waren mit rotem Tuch ausgelegt. Aus italienischen Vasen stieg der Rauch orientalischer, wohlriechender Kräuter. Der größte Teil der Lubomirskischen Familienschätze war schon bei der Nachricht von dem Nahen der Schweden nach Lubomla geschafft worden. Silber- und Goldgeräte, Teppiche, kunstvoll gewebte vlämische Gobelins, Statuen, mit Bernstein und Perlmutter ausgelegte Möbel, – das alles blendete jetzt die Augen der Ankommenden und verlieh dem Schlosse ein zauberhaftes Aussehen. Der Pan Marschall hatte absichtlich seine Schätze so ausgebreitet. Der königliche Flüchtling, der ohne Truppen, ohne Geld, ohne Macht zurückkehrte, sollte fühlen, daß die Ergebenheit solcher reichen und mächtigen Untertanen ihm Kräfte verleihen werde. Der König verstand das auch, und er umarmte nochmals den Marschall.
    Beim Abendmahle, das nach kurzer Rast eingenommen wurde, saß der König auf einer Estrade, und Lubomirski bediente ihn persönlich. Im Nebensaale war der Tisch für den kleineren Landadel gedeckt, und in dem ungeheuer großen Zeughause tafelte das Volk. Am Tage der Rückkehr des Königs sollten alle fröhlich sein.
    An der königlichen Tafel unterhielt man sich zumeist über die Schweden und den bevorstehenden Krieg. Lubomirski überraschte den König mit der Botschaft, die einer seiner Abgesandten, der

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