Sintflut
Brücke überschritten. Sapieha erwartete den König an der Spitze eines in Schlachtordnung aufgestellten Regimentes. Die königlichen Banner nahmen den litauischen gegenüber Aufstellung, eine ungefähr hundert Schritt breite Straße zwischen sich lassend.
Den Hetmanstab in der Hand eilte Sapieha, begleitet von seinen höheren Offizieren, dem Könige zu Fuß entgegen. Jan-Kasimir trug einen leichten Panzer über einem schwarzen Atlaskaftan, einen schwedischen Hut mit schwarzen Federn und lange Schlachthandschuhe. Ihm folgten der Nuntius, der Lemberger Erzbischof, der Krakauer Wojewod, Baron Lisola, Graf Pöttingen, Pan Kameniecki, der Moskowiter Botschafter, Pan Grodzicki, der Befehlshaber der Artillerie, Tyzenhauz und andere mehr.
Sapieha wollte dem Könige den Steigbügel halten, Jan-Kasimir aber sprang schnell vorher vom Pferde und umarmte, ohne ein Wort zu sagen, den Hetman.
Der König fühlte nicht, wie Tränen aus seinen Augen stürzten, und lange, lange hielt er den treuen Diener des Vaterlandes, der trotz seiner Mängel viele hochwürdige Magnaten um Haupteslänge überragte, der nicht einen Moment gezögert hatte, sein Leben und all sein Hab' und Gut dem Vaterlande zu opfern, in den Armen.
Die Litauer, die befürchtet hatten, daß der König Sapieha seiner Sandomierer Nachlässigkeit wegen kalt empfangen würde, gerieten jetzt in helle Begeisterung.
»Es lebe der König!« erschollen donnernde Rufe.
»Es lebe das Kronheer!«
»Es leben die Litauer!«
Die lauten Freudensausbrüche machten nicht nur die Mauern der Festung erzittern, sondern auch die bis dahin unerschrockenen Herzen der Schweden.
»Ich weine gleich los!« rief der gerührte Zagloba, »ich halte das nicht aus! Da steht er, unser Herr, Vater, unser König! Vor kurzem von allen verlassen – und jetzt – seht nur, hunderttausend Säbel sind da zu seinem Schutze! – O großer Gott! – Gestern war er noch obdachlos, und heute schon verfügt er über mehr Kräfte als der römische Kaiser!«
Pan Zagloba übertrieb ein wenig: Unter Warschaus Mauern standen nur siebzigtausend Mann, ohne die Mannschaften, die außerhalb der Front gebraucht wurden, die aber nötigenfalls auch ins Feuer geschickt werden konnten.
Von der großen Macht des Königs bestürzt, wagten es die Schweden nicht, irgend welche Feindseligkeiten zu eröffnen. Und so konnte Pan Grodzicki unbehelligt Stellungen für seine Artillerie aussuchen. Am folgenden Tage wuchsen hier und da Erdbefestigungen auf. Die Kanonen konnten erst in vierzehn Tagen eintreffen.
Jan-Kasimir ließ Wittemberg auffordern, unter sehr milden Bedingungen zu kapitulieren.
Wittemberg jedoch lehnte, wie man vorausgesehen hatte, alle Vorschläge ab, entschlossen bis zum letzten Blutstropfen Widerstand zu leisten. Eher wollte er sich unter den Ruinen der Stadt begraben lassen, als sich freiwillig in die Hände der Polen geben.
Man mußte annehmen, daß die Schweden sich tatsächlich bis zum äußersten wehren würden; denn Warschau diente ihnen als Lager all ihrer geraubten Schätze. Die ganzen in den Schlössern, Kirchen und Städten geraubten Reichtümer hatte man nach Warschau gebracht, von wo aus sie per Wasser nach Preußen und Schweden transportiert wurden. Und der schwedische Soldat opferte lieber sein Leben als seine Beute. Das arme Volk hatte bei dem Anblicke der Reichtümer eines fruchtbaren Landes jegliches Ehrgefühl verloren und zeigte der Welt bis dahin noch unbekannte Proben von Räubereien und Plündereien. Seine Gier war ins Unendliche gewachsen. Der König selbst war durch seine Habsucht berühmt, und die Generale, Wittemberg an der Spitze, folgten seinem Beispiele. Wenn es sich um die Bereicherung durch Beute handelte, hielt der alte General weder auf seine Ritterehre noch auf die hervorragende Stellung, die er einnahm. In Warschau schämten sich sogar Befehlshaber größerer Abteilungen nicht, ihren Soldaten Tabak und Branntwein zum Nutzen ihrer eigenen Taschen zu verkaufen. Die Schweden hatten noch einen Grund, Warschau mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu halten: waren doch ihre bedeutendsten Staatsmänner dort eingeschlossen: Wittemberg selbst, der Kanzler Oxenstierna, ein Mann von hervorragenden Geistesgaben, der die Achtung der ganzen Welt genoß, die Generale Wrangel und Horn, der trotz seiner Verwundung bei Jasno-Gora mit dem Leben davongekommen war, Erskin, Löwenhaupt und viele Damen des schwedischen Adels, die mit ihren Männern nach Polen wie auf ein neu
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