Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
anwesenden Gäste. Von Toasten ging man zu fröhlicheren Liedern über, kurz, es herrschte bald große Heiterkeit und eine recht schwüle Atmosphäre im Zimmer.
    Plötzlich vernahm man von draußen Rufe.
    »Was ist das?« fragte einer der Obersten.
    »Ruhig, bitte!« rief der besorgte Hetman. »Man muß erfahren, um was es sich handelt.«
    Kaum hatte er geendigt, als alle Fensterscheiben von Geschütz- und Musketensalven erzitterten.
    Alle sprangen von ihren Plätzen auf, stürzten hinaus und fanden nur mit Mühe ihre Pferde.
    »Der Feind hat Pan Kotwicz überfallen!«
    Glücklicherweise war der Oberst einer Unpäßlichkeit wegen dem Gelage fern geblieben, so daß er sofort zur Stelle war; aber er konnte sich nur mit Mühe gegen die wütend anstürmenden Schweden halten. Endlich erschien der Hetman mit seiner ganzen Macht und brachte bald die in Verwirrung geratenen Massen in Ordnung. Es entbrannte auf der ganzen Linie ein heißer Kampf. Da erschien mit einem Male Akbah-Ulan vor dem Hetman.
    »Effendi!« rief er, »eine Heeresabteilung will in die Stadt hinein, sie führt einen ganzen Wagenzug mit sich!«
    Nun wurde es Sapieha klar, was der Ausfall der Schweden zu bedeuten hatte. Man wollte einfach die Aufmerksamkeit des Feindes von dem Proviantzuge ablenken, um diesen in die Festung schlüpfen zu lassen.
    »Schnell zu Wolodyjowski! Die Laudaer, Kmicic und Wansowicz sollen der Kolonne den Weg abschneiden; ich schicke ihnen bald Verstärkung!«
    Leider aber kam dieser Auftrag schon zu spät. Gegen zweihundert Wagen mit Proviant waren schon in die Stadttore eingefahren, und die sie begleitende Abteilung schwerer Kavallerie befand sich im Bereiche der Festungsgeschütze. Nur die Arrieregarde war etwas zurückgeblieben, aber auch sie ritt in schnellstem Trabe vorwärts.
    Als Kmicic die Reiter beim Scheine einiger brennender Gebäude sah, konnte er sich eines wilden Aufschreies nicht enthalten.
    Er erkannte Boguslaws Soldaten.
    Außer sich vor Wut stürzte er sich mit seinen Tataren auf ihre Reihen und begann schrecklich zu rasen, Wolodyjowski kam ihm bald zu Hilfe. Der Kampf dauerte nicht lange. Da Boguslaws Leute auf keinerlei Hilfe rechnen konnten, warfen sie die Waffen von sich und streckten den Siegern um Gnade flehend die Arme entgegen.
    »Leben lassen! Gefangen nehmen!« erscholl Kmicic' Stimme.
    Die Tataren hatten bald alle gefesselt und eilten, aus dem Feuer der Festungsgeschütze herauszukommen.
    In diesem Augenblicke rief einer der Gefangenen:
    »Pan Kmicic, retten Sie einen alten Bekannten. Lassen Sie mir die Stricke auf mein Ehrenwort hin abnehmen!«
    Kmicic wandte sich um.
    »Ketling!« staunte er.
    Haßling-Ketling war ein Schotte, ein Offizier des verstorbenen Wilnaer Wojewoden. Er genoß einstmals die Zuneigung Kmicic'.
    »Laß den Gefangenen frei!« rief er dem Tataren zu, »Steig' vom Pferde und gib es ihm!«
    Mit Mühe bestieg Ketling den hohen Sattel des Tatarenpferdes. Kmicic ergriff ihn fest bei der Hand und fragte mit stockender Stimme:
    »Woher kommen Sie? Sprechen Sie, um Gottes willen, schnell!«
    »Aus Tauroggen,« antwortete der Offizier.
    »Oh! – Ist Panna Billewicz dort?«
    »Ja, Pan Oberst.«
    »Und was hat der Fürst mit ihr getan?« entrang es sich mühsam Kmicic' Kehle.
    »All seine List und Ränke haben zu nichts geführt.«
    Diesen Worten folgte ein langes Schweigen. Dann nahm Kmicic seine Luchsmütze ab, fuhr sich mit der Hand über die Stirne und sagte:
    »Es ist nicht zu verwundern, daß ich so schwach bin; ich bin erst vor kurzem schwer verwundet worden und habe viel Blut verloren.«

10. Kapitel.
    Zum großen Schmerze Kmicic' hatte Haßling-Ketling so stark unter der alles eher als delikaten Behandlung der Tataren gelitten, daß er von einem Nervenfieber aufs Krankenlager geworfen wurde. Kmicic mußte notgedrungen mit seinen weiteren Fragen abwarten.
    Währenddessen folgten sich neue Ereignisse mit staunenswerter Schnelligkeit. Das Gerücht von dem Nahen des Königs mit einer fünfzigtausendköpfigen Armee behauptete sich mit zunehmender Hartnäckigkeit. Eines Tages, als Kmicic mit Zagloba, Wolodyjowski und Roch Kowalski bei sich in seinem Quartiere sah, stürzte Akbah-Ulan herein und rief:
    »Effendi! Hinter der Weichsel erscheinen die Vortruppen des Königs!«
    Und es war wirklich die königliche Armee! Zuerst trafen die Tataren unter Subaghazi-Bey ein, dann folgten die vorzüglich bewaffneten Truppen der Krone. Gegen Abend hatte die ganze Armee die von Oskierka erbaute

Weitere Kostenlose Bücher