Sintflut
die Gebäude.
»Sehen Sie den Turm, ganz in der Mitte der Stadt? Das ist das königliche Palais! Könnte ich noch so vielmal ein Jahr leben, wie ich dort beim Diner gesessen habe, so würde ich noch älter als Methusalem werden müssen. An niemand wandte sich der König so oft um Rat als an mich; ich konnte Starosteien austeilen wie Nüsse.«
»Und links vom Schloß, was ist das für ein schöner Bau?« –
»Das ist das Palais der Radziejowskis, das früher den Kazanowskis gehörte. Man hält es für das achte Wunder der Welt. Möge es einstürzen, denn in seinen Mauern keimte der Untergang der Republik auf.«
»Wieso denn?« fragte Roch Kowalski.
»Als zwischen dem Pan Radziejowski und seiner Frau der Unfriede begann, fing Jan-Kasimir an, der Pani den Hof zu machen. Man erzählt, daß die Pani Radziejowska in den König verliebt war, und der Unterkanzler sei aus Rache zu den Schweden übergetreten und habe sie angestachelt, den Krieg zu eröffnen.«
Die Sonne war schon fast ganz untergegangen, es dämmerte bereits. Pan Sapieha beschloß, den Einwohnern von Warschau seine Ankunft anzuzeigen und ließ deshalb Musketen abfeuern. Die Truppen begannen über die Weichsel überzusetzen. Zuerst das Laudaer Banner, ihm folgte das Banner des Pan Kotwicz und dann Kmicic' Tataren, – im ganzen waren es achttausend Mann. Die Schweden waren auf diese Weise samt der von ihnen geplünderten Beute eingeschlossen, und Pan Sapieha blieb nur übrig, auf die Ankunft des Königs und Czarnieckis zu warten und zu verhindern, daß die Festung irgend welche Verstärkungen erhalte.
Die Nachrichten, die von Pan Czarniecki kamen, waren nicht sonderlich befriedigend. Der Kastellan schrieb, daß seine Truppen und Pferde so erschöpft seien, daß er fürs erste keinen Anteil an der Belagerung nehmen könne. Das einzige, was ihm möglich sei zu tun, wäre, die schwedische Armee, die unter dem Oberbefehle des Bruders des Königs und der Generale Douglas und Radziwill bei Narew stand, und die den Belagerten zu Hilfe kommen wollte, aufzuhalten.
Indessen bereiteten sich die Schweden auf die Belagerung mit der ihnen eigenen Entschlossenheit und Kunst vor. Noch vor der Ankunft Sapiehas hatten sie Praga verbrannt, und jetzt überschütteten sie sämtliche Vorstädte mit einem Hagel von Granaten. Alle Gebäude und Kirchen wurden ein Raub der Flammen. Hinter den Mauern irrten Haufen von Einwohnern ohne Zuflucht, ohne Nahrung umher. Hunderte von Frauen bestürmten das Heer Sapiehas und flehten um Barmherzigkeit. Überall sah man Menschen, die vom Hunger ausgedörrt und trocken geworden waren wie Holzspäne, Kinder, die an den versiegten Brüsten ihrer Mütter starben. Die Umgegend der Hauptstadt hatte sich in ein Tal des Jammers und der Tränen verwandelt.
Da Sapieha keine Kanonen und keine Infanterie bei sich hatte, konnte er nichts beginnen. Voller Unruhe blickte er auf Warschau, das die schwedischen Ingenieure in eine starke Festung verwandelt hatten. Hinter den Mauern waren dreitausend vorzüglich geschulte Soldaten versammelt. Pan Sapieha suchte seine Unruhe durch tägliche Gelage – der Hetman liebte fröhliche Gesellschaft – zu ersticken, und oft vergaß er beim kreisenden Becher seine Pflicht.
Des Tags über war er zwar auf den Beinen, inspizierte die Wachen, verhörte die Gefangenen und schickte nach allen Seiten Boten aus; aber sobald der Abend hereinbrach, begann er Trinkgelage abzuhalten. Der angeheiterte Hetman schickte nach seinen Offizieren, denen er selbst eben erst wichtige Aufträge erteilt hatte, und war gekränkt, wenn jemand einer Einladung nicht sogleich Folge leistete.
Einige Offiziere taten zwar auch ohne die Aufsicht ihren Dienst; andere aber erfüllten, da sie fühlten, daß keine Kontrolle da war, ihre Pflichten höchst lässig.
Die Schweden ließen natürlich diese gute Gelegenheit nicht unbenutzt.
Einstmals, zwei Tage vor der Ankunft des Königs und der Hetmans, schickte Sapieha eine besonders liebenswürdige Einladung an die beiden Strzetuskis, Kmicic, Zagloba, Wolodyjowski und Charlamp.
»Wie kann ich denn zum Hetman gehen? Ich stehe eben im Begriffe, mit meinen Tataren einen Streifzug zu unternehmen,« entgegnete Kmicic, der schon einen Fuß im Steigbügel hatte.
»Der Pan Hetman befiehlt, Akbah-Ulan damit zu beauftragen,« antwortete der Abgesandte Sapiehas.
Das Mahl nahm einen sehr lebhaften und fröhlichen Verlauf. Pan Sapieha toastete auf den König, auf die Hetmans, auf Pan Czarniecki und auf die
Weitere Kostenlose Bücher