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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Radziwill, den Wittemberg leichten Herzens fallen ließ.
    Diese Kapitulationsbedingungen wurden sofort unterzeichnet. Alle Glocken der Stadt läuteten und verkündeten, daß die Hauptstadt wieder in die Hände des rechtmäßigen Königs übergehe. Jan-Kasimir ritt, umgeben von einer glänzenden Suite hinaus, um dem Abzuge der schwedischen Garnison beizuwohnen.
    Zuerst erschien die Reiterei, dann die Feldartillerie mit den leichteren Geschützen, neben denen die Kanoniere mit brennenden Lunten und stolz erhobenem Kopfe marschierten, als wenn sie den polnischen Rittern zurufen wollten: »Bald begegnen wir uns wieder.« Dann folgten Fuhren mit verwundeten Offizieren, In den ersten lag der Kanzler Benedikt Oxenstierna, Jan-Kasimir befahl, ihm die militärische Ehre zu erweisen. Endlich erschien eine Abteilung prachtvoll gekleideter Reiter, die vom Scheitel bis zur Sohle in Stahl gehüllt waren. Über ihnen wehte eine himmelblaue Fahne, auf der ein goldener Löwe gestickt war. Diese Reiter umgaben den Hauptstab.
    »Wittemberg! Wittemberg!« durchlief ein Murmeln die Reihen der polnischen Truppen.
    In der Tat, es war Wittemberg selbst, der von dem jüngeren Wrangel, Horn, Löwenhaupt und Forgell begleitet wurde. Die Augen aller polnischen Ritter waren auf Wittemberg gerichtet. Sein Äußeres harmonierte bei weitem nicht mit dem Bilde, das man sich von einem so bedeutenden Feldherrn gemacht hatte. Er war ein äußerst hagerer Mann mit einem kränklichen Gesicht, unter dessen langer Habichtsnase ein dünner, nach oben gekämmter Schnurrbart wuchs. Ganz in schwarzen Samt gekleidet und mit einem schwarzen Hute auf dem Kopfe glich er eher einem gelehrten Astrologen oder Medikus als einem Kriegsmanne. Allein eine goldene Kette um den Hals und ein Brillantstern auf der Brust verrieten seine hohe Würde. Mit unruhigen Blicken betrachtete er das Gefolge Jan-Kasimirs und die unzähligen Reihen der Truppen. Ein schwaches, ironisches Lächeln huschte über seine blassen Lippen.
    Als die polnischen Regimenter Wittembergs gewahr wurden, verstärkte sich das Murren und wuchs zu einem Brausen des Meeres vor dem Sturme an. Die Hochwürdenträger erschraken und sahen den König unruhig an.
    »Was soll das bedeuten?« fragte Jan-Kasimir.
    In diesem Augenblicke erscholl aus den Reihen der Polen ein zorniges, betäubendes Geschrei. Mehrere Landwehrregimenter rückten vor, und plötzlich erglänzten viele Tausende von Säbeln in der Sonne.
    »Was bedeutet das?« fragte der König wieder.
    Pan Wolodyjowski, der in der Nähe Sapiehas stand, erriet es sofort.
    »Das ist Pan Zaglobas Werk!«
    Er irrte sich nicht. Sobald die Kapitulationsbedingungen dem Pan Zagloba bekannt wurden, geriet der alte Schlachtschitz in einen solchen Zorn, daß er einen Augenblick kaum sprechen konnte. Als er zu sich gekommen war, stürzte er zu der Landwehr und begann sie aufzureizen. Und man hörte ihm dort gern zu. Alle waren überzeugt, daß sie für das unter den Mauern von Warschau vergossene Blut das Recht hatten, ordentliche Rache an dem Feinde zu nehmen. Pan Zagloba umringte bald eine Menge zuchtloser, ungestümer, wütender Schlachtschitzen, und er versäumte nicht, weiter glühende Kohlen auf das angefachte Feuer zu werfen, das ohnehin schon bereit war, hervorzubrechen.
    Und Pan Zagloba hatte richtig gerechnet. Bei dem Anblicke des Erbfeindes Polens geriet die erregte Schlachta in Raserei. Aus vierzigtausend Kehlen erschollen die Rufe: »Tod dem Wittemberg! Her mit ihm!«
    Der König und seine Leute waren ratlos. Was tun? Man mußte die Schweden retten, schützen! – Eine Schande wäre es, das gegebene Wort nicht zu halten ! –
    Inzwischen drängte sich die rasende Menge durch die vorstehenden Regimenter hindurch, sie stürmte auf sie ein, und die ersten Reihen gerieten in Unordnung. Rings um sie herum erhobene Säbel und vor Zorn gerötete Gesichter und funkelnde Augen. Der Lärm und das wilde Geschrei verstärken sich von Minute zu Minute.
    Wittemberg begriff, was um ihn vorging. Sein Gesicht wurde noch bleicher, und große Tropfen kalten Schweißes traten auf seine Stirn. Der alte Soldat erschrak bis zur Fassungslosigkeit angesichts dieser tobenden Masse. Und näher und näher kamen die Rasenden – eine Minute noch, und alle die unglücklichen schwedischen Generale wären von ihnen zerfleischt worden.
    Auch die Schweden hatten schnell ihre Säbel gezogen, um mit den Waffen in der Hand zu sterben, wie es sich Rittern geziemt. Der alte Feldmarschall war

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