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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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verzweifelt:
    »Findet Mittel, wenn ihr könnt! Ich wasche meine Hände in Unschuld. Mit solchen Soldaten kann man keinen Verteidigungskampf führen. – Und dann, wir haben ja keine Geschütze. Unsere Mörser sind gerade gut genug, um Böllerschüsse abzugeben.«
    »Bei Zbaraz hatte Chmielnicki 70 Geschütze, Fürst Jeremias aber hatte nur mehrere Haubitzen,« warf Pan Skrzetuski ein.
    »Fürst Jeremias aber verfügte über ein gutgeschultes Heer, dessen Ruhm in der ganzen Welt verbreitet war, er hatte keine solchen Herren Schafzüchter wie wir hier.«
    »Das beste ist, man schickt nach Pan Skoraszewski,« empfahl Pan Czarnkowski, der Posener Kastellan. – »Er ist allgemein beliebt und wird es verstehen, die Schlachta in Zucht zu halten.«
    »Nach Skoraszewski schicken!« stimmte auch Pan Grudzinski bei.
    »Ja, ja, das ist ein ausgezeichneter Rat!« ertönten mehrere Stimmen.
    Man sandte einen Boten nach Skoraszewski. Andere weitere Beschlüsse faßte der Rat nicht; aber von allen Seiten wurden viele Klagen über den König, die Königin und den Mangel an Truppen laut.
    Auch der folgende Morgen brachte keinen Trost, keine Beruhigung. Im Gegenteil, der Wirrwarr vergrößerte sich noch. Das Gerücht lief umher, daß die Calvinisten bereit seien, bei der ersten Gelegenheit zum Feind überzulaufen.
    »Zeigt uns die Verräter!« schrie die erregte Schlachta. »Man muß das Unkraut ausjäten, sonst sind wir alle verloren!«
    Wieder mußten die Wojewoden und Rittmeister alle beruhigen, und um die erregten Gemüter zu besänftigen, verwies man einen der vermeintlichen Verräter aus dem Lager.
    Eine eigentümliche Stimmung herrschte im Lager. Manche hatten den Mut ganz verloren und gingen niedergeschlagen umher; andere liefen schweigend, ziellos, längs der Wälle entlang und sahen unruhig auf die Ebene, von woher der Feind kommen mußte. Wieder anderer hatte sich eine sinnlose, verzweifelte Fröhlichkeit bemächtigt und eine übergroße Bereitwilligkeit, in den Tod zu gehen. Deshalb veranstalteten sie Gastmähler und Trinkgelage, um den Becher der Lebensfreude vor ihrem Tode bis auf den Grund zu leeren. Niemand im Lager dachte an einen Sieg, obwohl der Feind keine numerische Überlegenheit besaß; er hatte nur mehr Geschütze und einen Führer, der sich auf die Kriegskunst verstand.
    Und während das polnische Heer siedete, brodelte und schäumte wie ein Meer, das von Winden bewegt wird, kamen ruhig auf den breiten, grünen Wiesen, die die Oder umsäumen, die schwedischen Truppen daher. – Zweiundsiebzig Kanonen hinterließen in dem saftigen Grün ihre tiefen Furchen. Es waren im ganzen 17000 Mann, die plündernd fast ganz Deutschland durchzogen, und die so diszipliniert waren, daß sie sich gut mit der königlichen französischen Garde messen konnten. Hinter den Regimentern bewegten sich in ganzen Zügen Fuhren mit Gepäck und Zelten. Die Truppen marschierten in tadelloser Ordnung, jede Minute kampfbereit.
    Endlich, es war am 27. Juli, erblickten die schwedischen Soldaten im Walde bei dem Flecken Heinrichsdorf den ersten polnischen Grenzpfahl. Ein Jubelruf erschallte im ganzen Heer, die Trompeten bliesen, und die blauen Fahnen mit den weißen Kreuzen in der Mitte flatterten hoch im Winde. – Wittemberg, der mit einer glänzenden Suite vorausritt, hielt an und ließ alle Soldaten vorbeidefilieren: die Kavallerie mit gezogenen Degen, die Kanonen mit brennenden Lunten. Es war zur Mittagszeit eines strahlenden Sonnentages, Harzgeruch erfüllte die ganze kräftige Waldluft.
    Die graue, von der Sonne überflutete Straße, auf der die schwedischen Truppen daherzogen, verlor sich in weiter Ferne. Als die Regimenter aus dem Walde heraustraten, lag vor ihren Augen ein fröhliches, lächelndes Land. Glänzende, goldene Felder wechselten mit grünen Wiesen und dunklen Eichenwäldern ab. Auf den Weideplätzen grasten die Herden, und da, wo die Wiesen noch sumpfig waren, spazierten gravitätisch und ungestört Störche umher.
    Welch ein heiliger Friede, welch eine Stille lag über diesem von Milch und Honig triefenden Stückchen Erde! Es schien, als ob sie den Truppen ihre Arme entgegenstrecke, nicht um einen Feind abzuwehren, sondern um einen von Gott gesandten Gast zu empfangen.
    Ein Schrei des Entzückens entrang sich den Kehlen der Soldaten, die an die arme und wilde Natur ihrer Heimat gewöhnt waren. Die Herzen des armen, räuberischen Volkes entbrannten in dem Wunsch, sich dieser Schätze, die vor ihren Augen zerstreut lagen,

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