Sintflut
das Tor, aber eilte nicht, ihm zu öffnen.
»Die Herrin ist nicht zu Hause,« erklärte er.
»Ist sie verreist?«
»Ja, verreist!«
»Wohin denn?«
»Wer kann das wissen!«
»Und wann kehrt sie zurück?«
»Wer weiß es!«
»Antworte ordentlich! Wann kommt sie zurück?«
»Wird wohl gar nicht zurückkehren denn sie nahm alle Habseligkeiten mit.«
»So? Wirklich?« fragte Pan Michail. – »Ei, sieh einer an, was ich angerichtet habe.«
10. Kapitel.
Wenn die warmen Sonnenstrahlen durch die dichten Wolken durchzubrechen beginnen, wenn an den Bäumen die ersten Knospen erscheinen, und sich die Felder mit dem jungen Grün bedecken, hält meist auch die Hoffnung in die menschlichen Herzen ihren Einzug. Der Frühling des Jahres 1655 brachte aber der Republik keinen Trost. – Am Himmel erschienen immer neue Zeichen, die Unheil und Elend prophezeiten. Die Wolken, die vorüberzogen, glichen bald Türmen, bald Festungen, die mit fürchterlichem Donnergepolter zusammenstürzten, denn Gewitterregen und Stürme überschütteten die Erde, die noch mit Schnee bedeckt war. Die Kieferwälder färbten sich gelb, die Äste der Bäume krümmten sich auf unheimliche Weise, Vögel und wilde Tiere starben an unbekannten Krankheiten. Endlich bemerkte man auch an der Sonne ungewöhnliche Flecke, die bald einem durchstochenen Herzen, bald einem Kreuze glichen. Alles dieses versetzte die Gemüter der Bevölkerung mehr und mehr in Unruhe.
Man prophezeite Krieg und wieder Krieg, und plötzlich, Gott weiß aus welcher Quelle, lief ein unheilverkündendes Gerücht von Mund zu Mund, von Dorf zu Dorf, daß von Schweden her Gewitterwolken heraufzögen. – Und obgleich der interimistische Friede mit den Schweden erst in sechs Jahren ablief, sprach man auf dem Reichstag in Warschau, den Jan-Kasimir einberufen hatte, von Krieg.
Alle blickten unruhigen Herzens auf Großpolen, über das dies neue Gewitter zuerst hereinbrechen mußte. Die Abreise einer außerordentlichen Gesandtschaft nach Schweden regte die Gemüter noch mehr auf, anstatt sie zu beruhigen.
Schließlich machte der Befehl des großpolnischen Generals Leszczynski, der die Landwehr der Wojewodschaften Posen und Kalisz zur Verteidigung der Grenzen gegen den drohenden Einfall der Schweden einberief, allen Zweifeln ein Ende.
Der Ruf »Krieg!« verbreitete sich in ganz Großpolen und in allen Provinzen der Republik. Dies war aber nicht das einzige Unglück, denn im Süden und Osten wüteten von neuem die Truppen Chmielnickis und die Buturlins, im Norden schürten Chowanski und Trubeckoi die Brandfackeln des Krieges. Und jetzt nahte von Westen her der Schwede.
Das ganze Reich glich einem Kriegslager; aber in diesem Lager selbst standen die Dinge schlecht. Ein Verräter, Radziejowski, war schon in die feindlichen Reihen eingetreten und offenbarte dem Feinde all die schwachen Seiten der Polen. Außerdem herrschten überall Faulheit, Willkür, Sittenverderbnis und Neid. Es fehlte nicht an Magnaten, die miteinander verfeindet waren, und an solchen, die mit dem Könige grollten und jede Minute bereit waren, das Vaterland ihren eigenen Plänen zu opfern.
Das bis dahin vom Kriege verschont gebliebene Großpolen sparte wenigstens kein Geld für die Verteidigung. Die Städte und die Dörfer des kleinen Landadels stellten die genügende Anzahl Soldaten. Und ehe noch die Schlachta selbst das Kriegslager bezog, hatten sich schon die bunten Regimenter der Feldinfanterie unter Führung von Rittmeistern versammelt.
An drei verschiedenen Orten sollten die Edelleute der Landwehr mit den Rittmeistern zusammentreffen. Die Infanterie, die inzwischen Schanzen auswarf, mußte tagelang auf die Kavallerie warten.
Zuerst erschien der Kaliszer Wojewod, Pan Andreas Grudzinski, mit einer zahlreichen weiß mit blau bekleideten Dienerschaft. Er hatte geglaubt, bei seiner Ankunft von der Kaliszer Schlachta umringt zu werden. In seinen Erwartungen enttäuscht, ritt er zu Pan Stanislaus Skrzetuski, der die Erdarbeiten überwachte.
»Wo sind denn meine Leute?« fragte der Wojewod den Rittmeister, den er seit der Kindheit kannte.
»Welche Leute?«
»Die Kaliszer Landwehr!«
»Erlauchtigster Pan Wojewod!« sagte Skrzetuski mit einem flüchtigen, verächtlichen Lächeln, »jetzt ist die Zeit der Schafschur, und schlecht gewaschene Wolle kauft man in Danzig nicht. Jeder Schlachtschitz beaufsichtigt jetzt die Wäsche oder steht bei der Wage. Er überlegt sehr richtig, die Schweden werden uns nicht
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