Sintflut
zu bemächtigen. Eine Art Fieber ergriff alle Soldaten.
Aber sie, die das Feuer des Dreißigjährigen Krieges gestählt hatte, begriffen sehr wohl, daß ihnen all diese Reichtümer nicht ohne Kampf zufallen würden; sie wußten, daß dieses Land ein zahlreiches, kriegerisches Volk bewohnte, das sich gut zu verteidigen verstand. In die Herzen der Schweden zogen zugleich mit der Freude ernste Bedenken ein, von denen selbst ihr Führer, Wittemberg, nicht frei war.
Er wandte sich schließlich an einen dicken Mann mit heller Perücke, deren Locken auf die Schultern herabfielen:
»Sie versichern also,« sagte er, »daß es mit meinen Truppen möglich sein wird, die feindlichen Kräfte, die sich in Ujscie gesammelt haben, zu schlagen?«
Der Mann mit der hellen Perücke lächelte.
»Sie können sich vollständig auf meine Worte verlassen. Wenn bei Ujscie reguläre Truppen ständen und einer der Hetmans, so würde ich der erste sein, der Ihnen riete, nicht so zu eilen, sondern die Ankunft Seiner Majestät des Königs und seines Heeres abzuwarten. Aber gegen die Landwehr und die Pans sind unsere Truppen mehr als genug. Und Verstärkungen können der Landwehr nicht geschickt werden. Auch glauben Jan-Kasimir, der Kanzler und der Senat noch immer nicht, daß Seine Majestät Karl-Gustav entgegen dem Friedensvertrag und ungeachtet der letzten Gesandtschaft den Krieg anfangen würde. – Cha-cha-cha!«
Der dicke Mann nahm den Hut ab, trocknete sein rotes Gesicht und fügte hinzu:
»Trubeckoi und Dolgoruki in Litau, Chmielnicki in der Ukraina, und wir marschieren in Groß-Polen ein. – So weit hat es die Regierung Jan-Kasimirs gebracht!«
Wittemberg warf einen zweifelhaften Blick auf ihn und fragte:
»Und Sie freut das alles?«
»Ich freue mich, daß die mir zugefügte Beleidigung gerächt werden wird.«
Der Mann, der sich mit Wittemberg unterhielt, war Jeronimus Radziejowski, der frühere Unter-Kanzler Polens.
»Oxenstiern ist noch immer nicht zu sehen,« sagte Wittemberg, »Wer weiß, ob Ihr Rat gut war, ihn als einfachen Trompeter verkleidet nach Ujscie zu senden.«
»Er war gut,« entgegnete Radziejowski. »Er wird sich das Lager und die Führer ansehen und erfahren, was man dort über uns denkt. – Ein einfacher Soldat konnte das doch nicht leisten.«
»Was aber, wenn man ihn erkennt?«
»Auch dann wird ihm nichts Böses zustoßen, – man wird ihm noch was auf den Weg mitgeben. – Ich kenne die Polen; sie sind zu allem bereit, wenn sie sich vor anderen von der guten Seite zeigen können, um von Fremden gelobt zu werden.«
»Und was denken Sie, werden unsere Briefe Eindruck machen?«
Radziejowski lachte.
»Wenn Sie mir gestatten, Prophet zu sein, so werde ich Ihnen genau voraussagen, wie es da beim Empfang Ihrer Briefe zugehen wird. – Der Pan Wojewod von Posen, ein politischer und gelehrter Mann, wird Ihnen Ihren Brief fein und sehr höflich beantworten. Er wird schreiben, daß er bereit wäre, für sein Vaterland den letzten Tropfen Blut zu vergießen, daß der Tod besser als Unehre sei, und noch andere Redensarten mehr. Im Ernst aber denkt er gar nicht daran, für sein Vaterland zu sterben; denn er liebt nur, es mit der Feder zu verteidigen. Zum Schluß wird er Ihnen Gesundheit und gute Erfolge wünschen; er wird Ihnen seine Ergebenheit versichern, und Sie bitten, seine und seiner Verwandten Güter zu verschonen, wofür er Ihnen seine und seiner Verwandten Erkenntlichkeiten versprechen wird.«
»Nun wohl, aber welches praktisches Resultat werden unsere Briefe haben?«
»Daß alle dort ganz den Kopf verlieren, daß die Pans und Senatoren mit uns in Unterhandlung eintreten werden, und daß wir nach einigen Schüssen in die Luft ganz Groß-Polen besetzen.«
»Hoffen wir, daß Sie ein guter Prophet sind!«
»Ich bin überzeugt, daß alles so sein wird. – Bei uns stellt jeder die eigenen Interessen höher als die Integrität der Republik. Der Boden, auf dem wir jetzt stehen, ist Eigentum der Opalinskis, Grudzinskis und Czarnkowskis, und da diese gerade bei Ujscie stehen, so werden sie unwillkürlich sehr nachgiebig sein bei den Verhandlungen.«
»Sie erweisen dem Könige durch Ihre Kenntnis des Landes und der Leute unschätzbare Dienste, die Ihnen sicherlich nicht unbelohnt bleiben werden.« – – –
Einige Tage, bevor die schwedischen Truppen die Grenze überschritten hatten, war im polnischen Lager der schwedische Trompeter mit den Briefen von Wittemberg und Radziejowski erschienen. Man führte
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