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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Ägypter, du hast mich von einem schweren Leiden geheilt und meine Leber auf mancherlei Art erquickt. Deshalb darfst du von mir verlangen, was du willst, und du brauchst nur einen Wunsch zu äußern, so soll er dir erfüllt werden; denn ich will nun meinerseits deine Leber erquicken.«
    Da sprach ich zu ihm: »König Burnaburiasch, Herr der vier Erdteile, in meiner Eigenschaft als Arzt habe ich dein Haupt in meiner Achselhöhle und deine Hand in der meinigen gehalten, während du mit böser Stimme jammertest, und es schickt sich wahrlich nicht, daß ich, ein Fremdling, eine solche Erinnerung an den König von Babylonien mitnehme, wenn ich in meine Heimat zurückkehre, um zu berichten, was ich hier gesehen habe. Deshalb ist es besser, daß du den Menschen in mir erschreckst, indem du dich mir in deiner ganzen Machtvollkommenheit zeigst, einen Bart umhängst, dich mit einem Schweif umgürtest und deine Krieger an dir vorüberziehen läßt, auf daß ich deine Macht erkenne und mich in Demut vor dir zu Boden werfe und den Staub zu deinen Füßen küsse. Mehr verlange ich nicht von dir.«
    Mein Begehren schien ihm zu gefallen, denn er sagte: »Wahrlich, noch niemand hat so wie du, Sinuhe, zu mir gesprochen. Deshalb will ich deinen Wunsch erfüllen, obwohl ich mich dabei langweilen werde; denn das bedeutet, daß ich einen ganzen Tag hindurch als König auf dem goldenen Thron sitzen muß, bis meine Augen müde sind und mich die Lust zu gähnen befällt. Dennoch sei dein Wunsch erfüllt!« Und er schickte in alle Richtungen des Landes Boten, um seine Krieger herzubeordern, damit sie an einem bestimmten Tag vor ihm vorübermarschieren sollten.
    Diese Parade fand bei dem Tor der Göttin Ischtar statt. Der König saß auf einem goldenen Thron, und zu seinen Füßen lag der Löwe, während alle Vornehmen in Waffen den Thron umringten, so daß der Herrscher wie in einer Wolke von Gold und Silber und Purpur saß. Aber drunten auf der breiten Straße zogen die Krieger im Laufschritt vorüber, Speerwerfer und Bogenschützen in Sechzigerkolonnen, und die Streitwagen fuhren in Sechserreihen vorbei, und es dauerte einen ganzen Tag, bis die Parade zu Ende war. Das Rollen der Streitwagen klang wie Donnergetöse, das Getrampel der laufenden Füße und das Geklirr der Waffen wie das Brausen eines sturmgepeitschten Meeres, so daß man vom bloßen Zuschauen Schwindel und Beinezittern bekam.
    Zu Kaptah aber sagte ich: »Es genügt nicht, wenn wir berichten können: Die Krieger Babyloniens sind zahlreich wie die Sandkörner am Meer oder wie die Sterne am Himmel; wir müssen auch ihre Zahl feststellen.« Kaptah murrte und entgegnete: »Herr, das ist unmöglich, denn so hohe Zahlen gibt es gar nicht auf Erden.« Ich aber zählte, so gut ich konnte, und die Zahl des Fußvolkes betrug sechzig mal sechzig mal sechzig Mann und die der Streitwagen sechzig, denn in Babylon ist sechzig eine heilige Zahl, und ebenso sind fünf, sieben und zwölf heilige Zahlen; warum, weiß ich nicht, obgleich die Priester es mir erklärten, denn ich begriff ihre Erklärungen nicht.
    Auch sah ich, daß die Schilde der königlichen Leibwache von Gold und Silber blitzten und ihre Waffen vergoldet und versilbert waren und ihre Gesichter von Öl glänzten und sie so beleibt waren, daß sie beim Laufschritt vor dem König keuchten und schnauften wie eine Ochsenherde. Aber ihre Zahl war gering. Die Truppen aus der Provinz waren sonnverbrannt und schmutzig und rochen vielfach nach ihrem eigenen Wasser. Von der Mannschaft besaßen manche nicht einmal einen Speer; denn der Befehl des Königs hatte sie überrascht, und die Fliegen hatten ihre Augenlieder zerfressen. Da dachte ich, die Soldaten blieben sich eben doch in allen Ländern gleich. Auch merkte ich, daß viele Streitwagen alt waren und knarrten und einige die Räder bei der Parade verloren und daß die Sensen an diesen Fahrzeugen mit Grünspan überzogen waren.
    Am Abend ließ der König mich zu sich rufen und fragte lächelnd: »Nun, Sinuhe, hast du meine Macht gesehen?« Ich warf mich ihm zu Füßen und küßte den Boden und sprach: »Wahrlich, es gibt keinen mächtigeren König als dich, und nicht ohne Grund nennt man dich den Herrscher über die vier Erdteile. Meine Augen sind ermüdet, es saust mir im Kopf, und meine Glieder sind gelähmt vor Schrecken; denn die Zahl deiner Krieger übersteigt die der Sandkörner am Meer und der Sterne am Himmel.«
    Er lächelte zufrieden und sagte: »Dein Wunsch ist erfüllt

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