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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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geglaubt hast, sondern ein Fremdling in der ganzen Welt.« Da erzählte ich ihnen, daß ich nicht wie andere Menschen geboren war, sondern eines Nachts in einem Binsenboot den Nil herabgeschwommen kam und meine Mutter mich im Röhricht gefunden hatte. Daraufhin blickten die Priester einander an, verneigten sich tief vor mir und sagten: »Das haben wir geahnt.« Und sie erzählten mir, daß auch ihr großer König Sargon, der sich alle vier Erdteile zu Füßen legte und dessen Macht sich vom nördlichen bis zum südlichen Meer erstreckte und auch die Meeresinseln umfaßte, als Neugeborener in einem Binsenboot den Fluß herabgeschwommen kam und daß niemand etwas über seine Geburt gewußt, bevor seine großen Taten seine göttliche Abstammung bewiesen.
    Als ich dies hörte, schnürte sich mir das Herz zusammen, und ich versuchte zu lachen und sprach zu ihnen: »Ihr glaubt wohl nicht, daß ich, ein Arzt, von den Göttern abstamme?« Sie aber lachten nicht, sondern erklärten: »Das wissen wir nicht; aber Vorsicht ist eine Tugend, und deshalb verneigen wir uns vor dir.« Wieder verbeugten sie sich tief vor mir, bis ich genug bekam und sagte: »Lassen wir dieses Spiel und gehen wir zur Sache über!« Sie begannen mir von neuem die wirren Gänge in der Schafsleber zu deuten, im geheimen aber betrachteten sie mich in Ehrfurcht und flüsterten miteinander.
    Von dieser Stunde an begann mich das Geheimnis meiner Herkunft zu quälen, und mein Herz ward schwer wie Blei beim Gedanken, daß ich ein Fremdling in allen vier Erdteilen war. Ich hatte große Lust, die Sterndeuter über meine Herkunft zu befragen; aber da ich die genaue Stunde meiner Geburt nicht kannte, konnte ich sie nicht befragen, noch hätten sie mir Antwort geben können. Auf Geheiß der Priester suchten sie jedoch die Lehmtafeln hervor, die das Jahr und den Tag, da der Strom mich gebracht hatte, betrafen; denn auch die Priester waren neugierig, meine Herkunft zu erfahren. Die Sterndeuter aber wußten nur zu sagen, falls ich zu der und der Tagesstunde geboren sei, so sei ich von königlichem Geblüt und dazu erkoren, über viele Völker zu herrschen. Diese Eröffnung erleichterte jedoch keineswegs meinen Sinn; denn wenn ich mich an die Vergangenheit erinnern wollte, genügte es mir, an mein Verbrechen und an die Schmach, die ich mir in Theben zugezogen hatte, zu denken. Aber – dachte ich – vielleicht hatten die Sterne mich schon bei meiner Geburt verflucht und in dem Binsenboot nach Theben geführt, damit ich Senmut und Kipa der Freude ihrer alten Tage berauben und sie in einen vorzeitigen Tod treiben und schließlich noch ihr Grab verschachern sollte. Bei diesem Gedanken überfiel mich ein Zittern; denn wenn mich einmal die Sterne verflucht hatten, würde ich meinem Schicksal nicht entgehen und auch in Zukunft über die Menschen, die mich liebten, Leid und Verderben bringen. Deshalb lastete die Zukunft schwer auf meinem Gemüt, und ich fürchtete mich vor ihr im Bewußtsein, daß alles, was geschehen war, einen Zweck hatte, und zwar den, mein Herz allmählich von den Menschen abzuwenden und mich zur Einsamkeit zu zwingen, weil ich in der Einsamkeit keinen Fluch über andere bringen konnte.

    4

    Nun will ich noch den Tag des falschen Königs beschreiben. Als das Getreide zu keimen begonnen hatte und die furchtbare Kälte der Nächte einer lauen Wärme gewichen war, gingen die Priester vor die Stadt hinaus, um ihren Gott auszugraben, worauf sie seine Auferstehung aus dem Grab laut verkündeten. Und nun verwandelte sich Babylon in einen Festplatz des Tanzes und des Jubels, die Straßen wimmelten von feiertäglich gekleideten Menschen, das Gesindel raubte die Geschäfte aus und tobte schlimmer als das Kriegsvolk beim Abzug nach der großen Truppenschau. Viele Frauen und Mädchen besuchten alle Tempel Ischtars, um sich eine Mitgift zu verschaffen; ein jeder durfte mit ihnen Wollust treiben, ohne daß es als eine Schande angesehen worden wäre, und ein jeder vergnügte und ergötzte sich nach Wunsch und Fähigkeit. Den Abschluß des Festes bildete der Tag des falschen Königs.
    Ich hatte mich bereits an mancherlei Sitten in Babylon gewöhnt, und doch war ich sehr erstaunt, als die betrunkene Leibwache des Königs noch vor Morgengrauen in das Freudenhaus der Ischtar eindrang, die Türen mit Gewalt aufbrach, auf jeden, dem sie begegnete, mit dem Speerschaft einhieb und aus vollem Halse kreischte: »Wo verbirgt sich unser König? Gebt uns rasch unsern König heraus!

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