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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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befiel, als die Seevögel, die uns auf weißen Schwingen umkreist hatten, den Umkreis des Schiffes am zweiten Tag verließen und außer Sicht schwanden. Statt dessen folgte das Gespann des Meergottes unserem Schiff; die Delphine tummelten sich mit glänzenden Rücken in den Fluten, von Minea mit lauter Stimme in ihrer eigenen Sprache willkommen geheißen; denn sie brachten Grüße von ihrem Gott.
    Das Meer war nicht ganz verödet. Wir begegneten einem kretischen Kriegsschiff, dessen Flanken mit Kupferschilden gesäumt waren und das uns mit den Wimpeln grüßte, nachdem die Besatzung sich davon überzeugt hatte, daß unser Fahrzeug kein Seeräuberschiff war. Auch Kaptah verließ seine Koje, als er entdeckte, daß er auf dem Schiff umhergehen konnte, und prahlte vor den Seeleuten mit seinen Reisen in vielen Ländern. Als er merkte, daß er nicht mehr krank wurde, erzählte er von seiner Fahrt von Ägypten nach Simyra und vom Sturm, der die Segel von den Masten gerissen, und daß er und der Kapitän die einzigen an Bord gewesen seien, die essen konnten, während alle übrigen wimmernd auf Deck gelegen und ihre Mägen in der Richtung des Windes entleert hätten. Er erzählte von den fürchterlichen Meerungeheuern, die das Delta des Nils bewachten und ohne Umstände ein ganzes Fischerboot verschlangen, wenn dieses sich zu weit ins offene Wasser hinauswagte. Die Seeleute bezahlten ihn mit gleicher Münze, indem sie ihm von den Säulen berichteten, die jenseits des Meeres den Himmel tragen, und von Meerweibern mit Fischschwänzen, die den Seeleuten auflauerten, um sie zu verzaubern und sich mit ihnen zu ergötzen. Über Seeungeheuer erzählten sie Geschichten, daß sich Kaptah die Haare auf dem Haupte sträubten und er, aschgrau im Gesicht, zu mir geflohen kam und mich beim Achseltuch packte. Die Speckschwarte aber warf er ins Meer, da er sie nicht verzehren konnte.
    Minea wurde Tag für Tag lebhafter. Ihr Haar flatterte im Wind, und ihre Augen waren wie Mondschein auf dem Meere. Sie war schön und geschmeidig anzusehen, so daß mir das Herz in der Brust zerging, als ich sie betrachtete und daran dachte, wie bald ich sie verlieren würde. Eine Rückkehr nach Simyra und Ägypten ohne sie schien mir sinnlos, so sehr hatte ich mich an sie gewöhnt; das ganze Leben war mir wie Asche im Munde beim Gedanken an die Zeit, da ich sie nicht mehr sehen und sie nicht mehr ihre Hände in die meinigen legen noch ihre Seite an meine Seite lehnen würde. Der Kapitän und die Seeleute aber zollten ihr hohe Achtung, als sie erfuhren, daß sie eine Stiertänzerin sei und das Los gezogen habe, das ihr das Recht verlieh, das Haus des Gottes beim Vollmond zu betreten, und daß nur ein Schiffbruch sie daran gehindert hatte. Als ich versuchte, die Leute über ihren Gott auszufragen, gaben sie mir jedoch keine Antwort, sondern sagten ausweichend: »Wir wissen nicht.« Einige sagten auch: »Wir verstehen deine Sprache nicht, Fremdling.« Nur so viel verstand ich, daß der Gott Kretas über das Meer herrschte und daß die Meeresinseln ihm ihre Jünglinge und Jungfrauen sandten, um vor seinen Stieren zu tanzen.
    So kam der Tag, da Kreta gleich einer blauen Wolke vor unseren Blicken aus dem Meer tauchte, die Seeleute Freudenrufe ausstießen und der Kapitän dem Meergott opferte, der uns günstigen Wind und gutes Wetter gewährt hatte. Die Berge und steilen Ufer Kretas mit ihren Olivenbäumen erhoben sich vor meinen Augen, und ich betrachtete alles als ein fremdes Land, von dem ich nichts wußte, obgleich ich mein Herz dort begraben sollte. Minea aber betrachtete die Insel als ihre Heimat, und der Anblick der kahlen Berge und der zartgrünen Erde im Schoß des Meeres entlockten ihr Freudentränen, bis die Segel gerefft wurden, die Schiffsknechte die Ruder ausstreckten und an verankerten Fahrzeugen aus aller Herren Ländern, darunter auch an Kriegsschiffen, vorüber auf die Landungsstelle zusteuerten. Im Hafen von Kreta lagen nämlich nicht weniger als tausend Fahrzeuge, und Kaptah erklärte bei ihrem Anblick, er würde es niemals geglaubt haben, wenn jemand ihm gesagt hätte, daß es so viele Schiffe in der Welt gebe. Den Hafen verteidigten weder Türme noch Mauern noch Befestigungen, sondern die Stadt begann gleich drunten am Strand; so vollständig beherrschte Kreta das Meer, und so mächtig war sein Gott.

    2

    Nun will ich von Kreta erzählen, und zwar nur, was ich mit eigenen Augen gesehen habe; hingegen will ich meine Gedanken über die Insel und

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