Sinuhe der Ägypter
»Vielleicht bist du krank. Laß mich dich heilen!« Sie aber strampelte unter der Decke, stieß mich von sich und sagte ärgerlich: »Geh deines Wegs! Ich zweifle wahrlich nicht daran, daß mein Gott meine Krankheit heilen wird.« Nach einer Weile aber sagte sie: »Gib mir trotzdem eine Arznei, Sinuhe, sonst bricht mein Herz und ich muß weinen.« Ich verabreichte ihr ein Beruhigungsmittel, so daß sie schließlich einschlief, während ich selbst die Nacht durchwachte, bis die Hunde des Hafens in der fahlen Morgendämmerung zu bellen begannen.
Der Tag unserer Abreise graute, und ich sprach zu Kaptah: »Suche unsere Sachen zusammen! Wir begeben uns an Bord eines Schiffes, um nach der Meerinsel Kreta, die auch Mineas Heimat ist, zu reisen.«
Aber Kaptah erwiderte: »Ich habe es geahnt und will meine Kleider nicht zerreißen, weil sie doch wieder zusammengenäht werden müßten; auch bist du in deiner Doppelzüngigkeit nicht wert, daß ich mir Asche ins Haar streue. Schwurst du etwa nicht beim Aufbruch aus Mitani, daß wir nicht über das Meer fahren müßten? Ich ahnte es, als ich dich wie einen Dieb im Hafen herumschleichen sah und mit dieser verfluchten Minea tuscheln hörte, die uns schließlich ins letzte Verderben führen wird. Ich fühlte es bereits, als ich sie zum erstenmal sah und sie mir mit dem Pantoffel die Nase blutig schlug, obwohl ich es nur gut mit ihr meinte. Aber ich habe meinen Sinn verhärtet und sagte nichts, weine auch nicht mehr, um nicht noch auf dem anderen Auge blind zu werden, so viele Tränen habe ich bereits in den verschiedenen Ländern, in die uns deine verdammte Torheit gebracht hat, deinetwegen vergossen. Nur so viel sage ich dir, daß dies meine letzte Reise sein wird! Ich will dir aber trotzdem keine Vorwürfe machen, wenn mich auch schon dein bloßer Anblick und der Geruch der Arzneien, der an dir haftet, anwidern. Die Sachen aber habe ich zusammengestellt und bin reisebreit; denn ohne den Skarabäus kannst du nicht in einem Schiff über das Meer reisen und kann ich selbst nicht auf dem Landweg lebend nach Simyra gelangen. Ich folge also dem Skarabäus, um entweder an Bord zu sterben oder mit dir im Meer zu ertrinken. Dabei besitze ich keinen anderen Trost als das Bewußtsein, daß du all das bereits an dem Tag, da du mich auf dem Sklavenmarkt zu Theben kauftest, mit deinem Stock auf mein Hinterteil geschrieben hast.«
Ich staunte sehr über Kaptahs Nachgiebigkeit, bis ich erfuhr, daß er sich unter den Seeleuten im Hafen bereits über allerlei Arzneien erkundigt und zu teurem Preis Zaubermittel gegen die Seekrankheit gekauft hatte. So band er sich vor der Abfahrt Amulette um den Hals, fastete und schnürte den Gürtel enger um den Bauch und trank einen berauschenden Pflanzensaft, worauf seine Augen beim Betreten des Decks wie diejenigen eines gekochten Fisches starrten. Dort bat er mit schwerer Zunge um fetten Speck, weil die Seeleute geschworen hatten, dies sei das beste Mittel gegen Seekrankheit. Dann legte er sich in seine Koje und schlief ein, in der einen Hand eine Speckschwarte, in der anderen den Skarabäus. Der Befehlshaber der Wache nahm unsere Lehmtafel und verabschiedete sich von mir, worauf die Schiffsknechte ihre Ruder ausstreckten und das Schiff aus dem Hafen hinaussteuerten. So begann unsere Reise nach Kreta. Als wir den Hafen hinter uns hatten, opferte der Kapitän dem Meergott und den geheimen Göttern in seiner Kabine und ließ die Segel hissen, so daß das Schiff schwankte und die Wellen zu pflügen begann und der Magen mir in die Kehle stieg; denn das Meer wogte endlos vor uns, und nirgends war Land zu sehen.
Achtes Buch
DAS DUNKLE HAUS
1
Endlos wogte das Meer vor uns und um uns herum, und nirgends war Land zu sichten. Aber ich fürchtete mich nicht; denn Minea war bei mir. Beim Atmen der frischen Meerluft blühte sie wieder auf, und der Mondglanz ihrer Augen kehrte wieder, als sie, vorn beim Galionsbild stehend, sich vornüberbeugte und die Luft in tiefen Zügen einsog, als wolle sie mit eigener Kraft die Fahrt des Schiffes beschleunigen. Blau wölbte sich der Himmel über uns, klar schien die Sonne, und der Wind blies nicht in Stößen, sondern spannte die Segel gleichmäßig und führte uns in die gewünschte Richtung. So behauptete wenigstens der Kapitän, und ich hatte keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln. Da ich mich den Bewegungen des Schiffes anpaßte, wurde ich nicht krank, obgleich eine gewisse Furcht vor dem Unbekannten mein Herz
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