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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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was du auf deinen Reisen gewonnen, hast du nämlich zum Fenster hinaus in den Rinnstein geworfen; ich glaube auch nicht, daß deine zitternden Hände, die kaum mehr einen Weinkrug zu halten vermögen, noch jemanden heilen können. Ich muß zugeben, daß es mich anfangs richtig dünkte, daß du Wein zu deiner Beruhigung trankst und ich dich sogar dazu aufforderte und die Siegel immer neuer Weinkrüge erbrach und auch selbst daraus trank. Auch prahlte ich vor den Leuten, indem ich sagte: ›Seht, was für einen Herrn ich habe! Er säuft wie ein Flußpferd und verpraßt damit ohne Zögern Gold und Silber und freut sich mächtig des Daseins.‹ Jetzt aber prahle ich nicht mehr, sondern schäme mich meines Herrn; denn alles hat schließlich seine Grenzen, und ich finde, daß du immer übertreibst. Ich verurteile gewiß nicht einen Mann, der sich betrinkt und an den Straßenecken herumprügelt und sich Beulen am Kopf holt; denn das ist eine vernünftige Sitte, die bei vielerlei Sorgen große Erleichterung bringt. Ich selbst habe ihr nur zu oft gehuldigt. Aber der Katzenjammer muß auf vernünftige Weise durch Bier und gesalzenen Fisch ausgeglichen werden, worauf man wieder an die Arbeit zu gehen hat, wie die Götter es vorschreiben und der Anstand fordert. Statt dessen aber säufst du, als wäre jeder Tag dein letzter. Ich fürchte, daß du dich zu Tode trinken willst. Wenn dem aber so ist, rate ich dir, dich lieber in einem Weinfaß zu ersäufen, weil dies ein rascheres und angenehmeres Leben ist, das keine Schande über dich bringt.«
    Ich sann über seine Worte nach und beobachtete meine Hände, die die Hände eines Heilkünstlers waren; jetzt zitterten sie, als hätten sie einen eigenen Willen und ich keine Macht mehr über sie. Ich dachte auch an alle Kenntnisse, die ich in verschiedenen Ländern erworben, und kam zu der Einsicht, daß Übertreibung Torheit, und Maßlosigkeit in Essen und Trinken ebenso unvernünftig ist, wie solche in Freude und Kummer. Deshalb äußerte ich zu Kaptah:
    »Dein Wille geschehe. Aber wisse, daß ich mir selbst über alles, was du soeben sagtest, völlig im klaren bin, und deine Worte keinen Einfluß auf meine Beschlüsse auszuüben vermögen, sondern wie eintöniges Fliegengesumm in meinen Ohren klingen. Mit dem Trinken aber will ich für dieses Mal aufhören und längere Zeit keinen einzigen Weinkrug mehr öffnen. Ich gedenke, Kreta zu verlassen, um nach Simyra zurückzukehren.«
    Kaptah sagte weiter nichts, sondern entfernte sich; und noch am selben Tag begaben wir uns an Bord des Schiffes. Die Schiffsknechte streckten ihre Ruder aus und steuerten das Schiff an Hunderten von Fahrzeugen und an kretischen Kriegsschiffen, deren Relinge mit Kupferschilden gesäumt waren, vorüber und aus dem Hafen hinaus. Auf dem offenen Meer aber zogen sie die Ruder ein, und der Kapitän opferte dem Meergott und den Göttern in seiner Kabine, worauf er die Segel hissen ließ. Das Schiff schwankte, und die Wellen prallten dröhnend gegen seinen Bug. Wir hielten Kurs auf die syrische Küste, und hinter uns verschwand Kreta wie eine blaue Wolke oder wie ein Schatten oder ein Traum, und rund um uns her war nichts als die wogende Meeresfläche.

Neuntes Buch

DER KROKODILSCHWANZ

    1

    Auf diese Art war ich zum Mann gereift und nicht mehr jung, als ich nach dreijähriger Abwesenheit, während derer ich viel Wissen über Gutes und Böses in manchen Ländern gesammelt hatte, nach Simyra zurückkehrte. Der Seewind trieb mir die Weindämpfe aus dem Kopf, klärte mir die Augen wieder und verlieh meinen Gliedern neue Kraft, so daß ich wieder wie andere Menschen aß und trank und lebte, nur daß ich weniger als andere sprach und daher noch einsamer wurde. Die Einsamkeit gehört zur Mannesreife, falls es so bestimmt ist. Ich aber war von Kindheit an, seit dem Tag, da mich das Binsenboot ans Nilufer brachte, einsam und ein Fremdling in der Welt gewesen. Ich brauchte nicht wie so mancher andere erst in die Einsamkeit hineinzuwachsen: sie war mir wie ein Heim und Ruhelager in der Finsternis.
    Doch während ich beim Galionsbild des Schiffes stand, das Meer grün um mich wogte und der Wind mir alle törichten Gedanken verjagte, sah ich immer noch irgendwo in weiter Ferne ein paar Augen, die wie Mondschein über dem Meere waren, hörte Mineas launisches Lachen und sah sie auf den Dreschböden an den Straßen Babyloniens, jung und schlank wie knospendes Schilfrohr, in einem leichten Gewand tanzen. Ihr Bild verursachte mir

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