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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Unterhaltungen mit den Priestern, sondern erteilte bei Tagesanbruch den Hauptleuten seine Befehle und ließ auch die Anführer der Hundertschaften zu sich berufen und wies jedem seine Aufgabe zu. An fünf verschiedenen Stellen wurden die Belagerungstürme von den Soldaten an die Mauern herangeschafft, und gleichzeitig begannen die Sturmböcke gegen die Tore zu dröhnen, und niemand wurde dabei auch nur verwundet, denn die Soldaten bildeten ein Schilddach zu ihrem Schutze, und die Priester und Tempelwächter hatten, im Glauben, daß die Belagerung in der gleichen Weise wie vorher weitergehen würde, weder Wasser gekocht noch Pech geschmolzen, um es zum Widerstand gegen die Angreifer über die Mauern zu schütten. Deshalb waren sie unfähig, dem planmäßig an mehreren Stellen gleichzeitig einsetzenden Angriff standzuhalten, sondern zersplitterten ihre Kräfte und sprangen kopflos auf den Mauern hin und her, bis das in den Vorhöfen versammelte Volk vor Angst zu schreien begann. Als die Priester des höchsten Grades die Tore nachgeben und Neger auf die Mauern klettern sahen, ließen sie daher in die Hörner stoßen, um den Kampf abzubrechen und Leute zu schonen, weil Ammon ihres Erachtens bereits genügend Opfer erhalten hatte und sie seine Getreuen für die Zukunft aufsparen wollten. Die Tore wurden geöffnet, und die Soldaten ließen auf Haremhabs Befehl die in den Vorhöfen zusammengepferchte Volksmenge fliehen. Die Leute flüchteten unter Anrufung Ammons und begaben sich gern nach Hause, denn das Ausharren in der Sonnenglut der engen Tempelhöfe war ihnen zur Plage geworden.
    Auf diese Art eroberte Haremhab ohne nennenswerte Opfer die Vorhöfe, Lagergebäude, Stallungen und Werkstätten des Tempels. Auch das Haus des Lebens und das Haus des Todes kamen in seine Gewalt, und er schickte die Ärzte aus dem Haus des Lebens mit ihren Arzneien in die Stadt, um Kranke zu heilen; an das Haus des Todes aber rührte er nicht, denn dieses steht außerhalb des Lebens und ist, was immer auch in der Welt geschehen mag, geschützt. Die Priester und die Wächter aber verschanzten sich im großen Tempel, um das Allerheiligste zu schützen, und die Priester verzauberten die Wächter und gaben ihnen Betäubungsmittel zu trinken, damit sie schmerzlos bis zum Tode kämpfen sollten.
    Der Kampf im großen Tempel dauerte den ganzen Tag, aber gegen Abend waren alle die verhexten Wächter und auch die Priester, die bewaffneten Widerstand leisteten, getötet, und übrigblieben nur noch die Priester des höchsten Grades, die sich im Allerheiligsten um ihren Gott versammelt hatten. Da ließ Haremhab in die Hörner stoßen, um den Kampf abzublasen, und sandte eilends seine Soldaten, die Leichen einzusammeln und in den Strom zu werfen. Er selbst aber begab sich zu den Priestern Ammons und sprach:
    »Ich kämpfe nicht gegen Ammon, denn ich selbst diene Horus, meinem Falken. Aber ich muß dem Befehl des Pharao gehorchen und Ammon stürzen. Doch wäre es sicher sowohl für euch als auch für mich angenehmer, wenn in dem Allerheiligsten überhaupt kein Bildnis stünde, das die Soldaten schänden können, denn ich wünsche keineswegs, ein Gotteslästerer zu werden, obgleich ich auf Grund meines Eides dem Pharao dienen muß. Überlegt euch meinen Vorschlag, ich gebe euch eines Wassermaßes Zeit! Alsdann mögt ihr in Frieden von dannen ziehen, und niemand wird euch anrühren, denn ich trachte nicht nach eurem Leben.«
    Diese Rede war den Priestern wohlgefällig, denn sie waren darauf vorbereitet gewesen, für Ammon sterben zu müssen. Sie blieben also hinter dem Vorhang des Allerheiligsten, bis ein Maß Wasser aus der Wasseruhr geronnen war. Da riß Haremhab mit eigener Hand den Vorhang nieder und ließ die Priester gehen. Als sie jedoch verschwunden waren, stand das Allerheiligste leer, und nirgends war ein Ammonbildnis zu sehen; denn die Priester hatten es rasch in Stücke geschlagen und die Stücke unter ihren Mänteln mit sich fortgetragen, um sagen zu können, ein Wunder sei geschehen und Ammon lebe noch. Haremhab aber ließ alle Lager mit dem Siegel des Pharao schließen, und die Höhlen, in denen das Gold und Silber aufbewahrt wurde, versiegelte er mit eigener Hand. Noch am gleichen Abend begannen die Steinhauer beim Fackelschein mit ihrer Arbeit, aus jedem Bildnis und jeder Inschrift den Namen Ammons zu tilgen, und in der Nacht ließ Haremhab den Platz von Leichen und Gliedmaßen säubern und die Feuersbrünste, die immer noch in einigen

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