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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Aber ich wußte selbst noch nicht recht, was ich wollte. Deshalb ging ich nach Hause und tat für meine Patienten, was ich ohne Arzneien tun konnte, und ermahnte die Bewohner des Armenviertels, sich Brunnen am Stromufer zu graben, damit das Wasser beim Durchsickern durch den Schlamm gereinigt würde.
    Am fünften Tag aber bekamen es selbst die Hauptleute Pepitatons mit der Angst zu tun, denn die Soldaten kümmerten sich nicht mehr um die Befehlshörner, sondern beschimpften die Offiziere auf offener Straße, entrissen ihnen die goldenen Peitschen und zerbrachen sie über den Knien. Die Hauptleute gingen daher zu Pepitaton, der seinerseits das unbequeme Kriegerleben herzlich satt bekommen hatte und sich nach seinen Katzen sehnte, und beschworen ihn, vor den Pharao hinzutreten, ihm die Wahrheit zu gestehen und den Kragen eines königlichen Befehlshabers abzulegen. Deshalb kamen die Läufer des Pharao am fünften Tag in mein Haus, um Haremhab zum Pharao zu berufen. Haremhab erhob sich wie ein Löwe von seinem Lager, wusch und kleidete sich und folgte ihnen, vor sich hin brummend beim Gedanken an alles, was er dem Pharao sagen werde, denn an diesem Tag wankte die Macht des Pharao schon, und keiner wußte, was am folgenden Tag geschehen konnte. Vor dem Pharao sprach er: »Echnaton, es ist bereits höchste Zeit, und ich kann dich nicht mehr an das erinnern, was ich dir zu tun riet. Willst du aber, daß alles wieder werde wie zuvor, dann übertrage mir für drei Tage die Macht eines Pharao, und ich werde sie am dritten Tag wieder in deine Hände legen, ohne daß du zu wissen brauchst, was geschehen ist.«
    Aber der Pharao fragte ihn: »Wirst du Ammon stürzen?«
    Haremhab antwortete: »Wahrlich, du bist verrückter als verrückt, aber nach allem, was sich zugetragen hat, muß Ammon fallen, auf daß die Macht des Pharao erhalten bleibt. Deshalb werde ich Ammon stürzen, aber frage nicht wie.«
    Der Pharao sagte: »Seinen Priestern darfst du nichts anhaben, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Haremhab entgegnete: »Wahrlich, deine Schädeldecke sollte geöffnet werden, da offensichtlich nichts anderes dich mehr zu heilen vermag, aber ich werde deinem Befehl gehorchen, weil ich einst deine Schwäche mit meinem Tuch verhüllt habe.«
    Da weinte der Pharao und reichte ihm seine Peitsche und seinen Krummstab für drei Tage. Aber wie sich alles zutrug, sah ich nicht mit eigenen Augen, sondern erfuhr es durch Haremhab, der oft auf Kriegerart seine Schilderungen nach eigenem Wunsch auszuschmücken pflegte. Jedenfalls aber kehrte er im goldenen Wagen des Pharao in die Stadt zurück, fuhr von Straße zu Straße, rief viele Soldaten bei ihren Namen, versammelte die Getreuesten um sich und ließ in die Hörner stoßen, um die Truppen unter ihre Sperber und Löwenschweife zu berufen. Die ganze Nacht hindurch hielt er Abrechnung mit ihnen, und von den Lagerplätzen der Soldaten ertönten Jammer- und Wehgeschrei, und die Regimentsauspeitscher verbrauchten haufenweise Rohrstöcke, bis ihre Arme schließlich ermüdeten und sie sich beklagten, weil sie noch nie zuvor im Leben eine solche Arbeit hatten leisten müssen. Seine besten Leute aber sandte Haremhab durch die Stadt, und sie ergriffen jeden Soldaten, der nicht eingerückt war, und führten ihn zur Auspeitschung. Manch einem, der blutige Hände und Kleider hatte, wurde vor den anderen Kriegern der Kopf abgehauen. Im Morgengrauen war das Gesindel Thebens wieder wie Ratten in seine Löcher verschwunden, denn jeder, der bei Diebstahl oder Einbruch in fremde Häuser ertappt wurde, ward auf der Stelle von einem Speer durchbohrt. Deshalb floh das Pack zitternd in seine Verstecke und riß sich das Kreuz Atons vom Halse und von den Kleidern, aus Angst, damit ertappt zu werden.
    Haremhab versammelte auch alle Bauarbeiter der Stadt, ließ sie die Häuser der Reichen abreißen und Schiffe abtakeln, um Holz zu erhalten, aus dem sie Sturmböcke und Leitern, Torbrecher und Belagerungstürme anfertigen mußten, so daß der Lärm der Hammerschläge die Nacht Thebens erfüllte. Stärker aber als alle anderen Laute stieg das Wehklagen der ausgepeitschten Soldaten zum Himmel und erfreute die Ohren der Bewohner Thebens. Deshalb verziehen sie Haremhab im voraus alle seine Gewalttaten und liebten ihn; denn die Klügsten unter ihnen waren wegen all der Zerstörung Ammons überdrüssig und hofften, daß er gestürzt und die Stadt die Soldaten loswerde.
    Haremhab vergeudete keine Zeit mit fruchtlosen

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