Sinuhe der Ägypter
Gegenden der Stadt tobten, löschen.
Kaum hatten die Reichen und Vornehmen vernommen, daß Ammon gestürzt und Ordnung und Ruhe in der Stadt wiederhergestellt seien, zogen sie ihre besten Kleider an, entzündeten die Lampen vor ihren Häusern und gingen hinaus auf die Straßen, um den Sieg Atons zu feiern. Auch die in das goldene Haus des Pharao geflüchteten Hofleute ließen sich über den Strom rudern und kehrten in die Stadt zurück, und bald glühte der Himmel über Theben neuerdings von dem roten Widerschein der Freudenfackeln und Festlampen. Es wurden Blumen auf die Straßen gestreut, und die Menschen lachten und umarmten einander. Haremhab konnte sie nicht daran hindern, den Kriegern Wein einzugießen, noch konnte er die vornehmen Damen davon abhalten, Neger zu umarmen, die auf ihren Speerspitzen die rasierten Häupter der von ihnen umgebrachten Priester trugen. Denn in dieser Nacht jubelte man zu Theben im Namen Atons, und in seinem Namen war alles erlaubt, und es gab keinen Unterschied zwischen Ägyptern und Negern, und zum Beweis dafür luden die Hofdamen Neger zu sich nach Hause, spreizten ihre neumodischen Sommergewänder und genossen die Kraft der Neger und den herben Blutgeruch ihrer Leiber. Als ein verwundeter Tempelwächter im Schatten der Mauer auf den Platz herauskroch und im Fieberwahn Ammon um Hilfe anrief, wurde ihm der Kopf auf dem Pflaster zerschmettert, und die vornehmen Frauen tanzten jubelnd um seine Leiche herum. All das sah ich mit eigenen Augen.
Als ich nun all das mit eigenen Augen gesehen hatte, griff ich mir mit beiden Händen an den Kopf, fühlte, daß mir alles gleichgültig war, und dachte, daß kein Gott den Menschen von seiner Torheit zu heilen vermöge. In dieser Nacht war ich völlig gefühllos, und deshalb lief ich zum »Krokodilschwanz«. Die Worte Merits flammten wieder in meinem Herzen auf, und ich forderte die Soldaten, die die Schenke bewachten, auf, mir zu folgen. Sie gehorchten, weil sie Haremhab in meiner Gesellschaft gesehen hatten, und ich führte sie durch die von Jubel und Wahnsinn erfüllte Nacht zum Tempel des Katzengottes und zum Hause Nefernefernefers. Auch dort brannten Lampen und Fackeln, das Haus war nicht geplündert worden, und Lärm und Stimmengewirr betrunkener Menschen drangen bis auf die Straße hinaus. Als ich so weit gekommen war, begannen mir die Knie zu zittern. Da sagte ich zu den Soldaten: »Das ist der Befehl meines Freundes Haremhab, des königlichen Befehlshabers: geht hinein in dieses Haus, dort werdet ihr eine Frau mit stolz erhobenem Haupt und grünen Augen finden, geht und holt sie mir, und wenn sie Widerstand leistet, schlagt sie mit dem Speerschaft auf den Kopf, aber fügt ihr sonst kein Leid zu.«
Fröhlich gingen die Soldaten hinein, und bald darauf kamen erschrockene Gäste auf zitternden Beinen herausgeflohen, und die Diener riefen nach den Wächtern. Die Soldaten aber kehrten mit Obst und Honigbrot und Weinkrügen in den Händen wieder und trugen Nefemefernefer zwischen sich, denn sie hatte sich gewehrt, und deshalb hatten sie sie mit einem Speerschaft auf den Kopf geschlagen, so daß die Perücke abgefallen war und ihr glattes Haupt blutete. Ich legte ihr die Hand auf die Brust, und ihre Haut war glatt wie Glas und warm, aber ich hatte das Gefühl, eine Schlangenhaut zu berühren. Ich spürte ihren Herzschlag und sah, daß sie keinen ernsthaften Schaden davongetragen hatte, aber ich wickelte sie wie eine Leiche in ein schwarzes Tuch und hob sie in meine Sänfte, ohne daß die Wächter, die mich von Kriegern begleitet sahen, mich daran gehindert hätten. Die Soldaten gaben mir das Geleit bis zum Tor vor dem Haus des Todes, und ich saß in der schwankenden Sänfte und hielt Nefernefernefers bewußtlosen Leib im Schoß, und sie war immer noch schön, mir aber war sie widerwärtiger als eine Schlange. So wurden wir durch die jubelnde Nacht Thebens zum Haus des Todes getragen, und am Tor gab ich den Soldaten Gold und schickte sie fort, und auch die Sänfte entließ ich. Nefernefernefer aber nahm ich in die Arme und trug sie in das Haus des Todes hinein, wo die Leichenwäscher mir entgegenkamen, und ich sagte zu ihnen:
»Ich bringe euch die Leiche einer Frau, die ich auf der Straße gefunden habe; ich kenne weder ihren Namen noch ihre Verwandtschaft, aber ich glaube, der Schmuck, den sie trägt, wird euch für eure Mühe entlohnen, wenn ihr ihren Leib für die Ewigkeit erhaltet.«
Die Leichenwäscher fluchten mich an und sagten: »Du
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