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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Tor, glaubst du, wir hätten in diesen Tagen nicht mehr als genug Kadaver, und wer bezahlt uns unsere Arbeit?«
    Doch als sie den Leib aus dem schwarzen Tuch herausgewickelt hatten, fühlten sie, daß er noch warm war, und als sie ihm Kleider und Schmuck abzogen, sahen sie, daß dieses Weib schön war, schöner als alle, die je zuvor in das Haus des Todes gebracht worden waren. Sie sagten nichts mehr zu mir, sondern legten ihre Hände auf die Brust und fühlten den Schlag des Herzens. Da wickelten sie sie eilends wieder in das schwarze Tuch ein, blinzelten einander zu, schnitten Gesichter, grinsten vor Freude und sagten zu mir: »Zieh deines Weges, Fremdling, gesegnet sei deine Tat! Wir werden wahrlich unser Bestes tun, um ihren Leib in Ewigkeit zu erhalten, und kommt es nur auf uns an, so werden wir sie siebzig mal siebzig Tage bei uns behalten, damit ihr Leib schön frisch aufbewahrt werde.«
    Auf diese Weise sollte Nefernefernefer für die Untat büßen, die sie durch mich an meinem Vater und meiner Mutter begangen hatte. Und ich frage mich, wie ihr wohl beim Erwachen im Haus des Todes zumute sein würde, wenn sie sich aller Reichtümer und Macht beraubt in der Gewalt der Leichenwäscher und Balsamierer befände, die, wenn ich sie recht kannte, sie nie mehr ans Tageslicht hinauslassen würden. Das war meine Rache an ihr; denn ihretwegen hatte ich das Haus des Todes kennengelernt; aber wie ich später erfahren sollte, war meine Rache kindisch, doch ist es noch nicht an der Zeit, davon zu erzählen. Ich sage bloß, daß die Rache vielleicht süß schmecken und berauschen kann, daß sie aber von allen Früchten des Lebens die vergänglichste ist und daß hinter der Wollust der Rache uns ein Totenkopf angrinst. Denn wenn meine Rache mir wie eine Wollust war, die mich in der Stunde der Erfüllung vom Scheitel bis zur Sohle durchrieselte, so wich dieser wollüstige Rausch von mir in dem Augenblick, da ich das Haus des Todes verließ. An seine Stelle traten eisige Kälte und ein Gefühl der Sinnlosigkeit. Ich fand nicht einmal Befriedigung bei dem Gedanken, daß ich durch meine Tat vielleicht manchen schwachen Jüngling vor Schande und frühzeitigem Tod bewahrte: denn Verderben, Schmach und Tod folgten jedem Schritte Nefernefernefers. Nein, dieser Gedanke schenkte mir keine Befriedigung; denn wie alles einen Sinn hatte, so auch Nefernefernefers Dasein. Frauen ihrer Art mußte es in der Welt geben, um die Herzen zu prüfen. Wenn aber andererseits nichts einen Sinn hat, dann war meine Tat ebenso nichtig und belanglos wie jedes andere Menschenwerk. Und wenn überhaupt alles sinnlos ist, wäre es dann nicht besser, sich im Strom zu ertränken und die Leiche von den Fluten forttragen zu lassen?
    Ich ging in den »Krokodilschwanz«, wo ich Merit traf und zu ihr sprach: »Ich habe meine Forderung eingetrieben, und zwar auf fürchterlichere Art als je ein Mensch zuvor. Aber meine Rache bereitet mir keine Freude, mein Herz ist noch leerer als vorher, und meine Glieder frieren, obgleich die Nacht warm ist.«
    Ich trank Wein, und der Wein war wie Staub in meinem Munde, und ich sagte zu ihr: »Wahrlich, möge mein Leib vertrocknen, falls ich je wieder ein Weib berühren sollte, denn je mehr ich an das Weib denke, um so mehr fürchte ich mich davor: denn des Weibes Leib ist ein dürres Wüstenland und sein Herz eine tödliche Schlinge.«
    Sie streichelte meine Hände, blickte mich aus ihren braunen Augen an und sagte: »Sinuhe, du hast nie ein Weib gekannt, das es gut mit dir meinte.«
    Da entgegnete ich: »Mögen alle Götter Ägyptens mich vor einem Weibe bewahren, das es gut mit mir meint, denn auch der Pharao meint es gut mit allen, und dabei ist der Strom voller Leichen, um seiner Güte willen.« Ich trank und weinte und sprach: »Merit, deine Wangen sind glatt wie Glas und deine Hände warm. Laß mich heute nacht deine Wangen mit meinem Mund berühren und meine kalten Finger in deinen Händen wärmen, damit ich traumlos schlafe, und ich gebe dir, was immer du verlangst.«
    Sie lächelte wehmütig und meinte: »Allerdings hege ich den Verdacht, daß der ›Krokodilschwanz‹ mit deiner Zunge spricht, aber ich bin es bereits gewohnt und nehme es dir nicht übel. Wisse daher, Sinuhe, daß ich nichts von dir verlange, wie ich überhaupt noch nie im Leben etwas von einem Mann verlangt und auch noch nie ein Geschenk von Wert angenommen habe. Wenn ich etwas geben will, gebe ich es von Herzen, und dein Begehren will ich gern erfüllen,

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