Sinuhe der Ägypter
äußerst beunruhigt, daß ich ihr nicht in ihrem Käfig beistehen kann. So rückt denn endlich im Namen Atons vor und schmeißt das verfluchte Bildnis um, damit wir alle heimgehen können; sonst werde ich euch, bei Seth und allen Teufeln, die Ketten vom Hals reißen und eure Peitschen zerbrechen: das schwöre ich euch!«
Als die Hauptleute diese Drohung vernahmen, begriffen sie, daß sie auf jeden Fall verkauft waren, was immer auch geschehen mochte; deshalb berieten sie sich untereinander, riefen alle Götter der Unterwelt um Hilfe an und beschlossen, wenigstens ihre Kriegerehre zu retten. Daher ordneten sie ihre Truppen, um den Tempel zu erstürmen. Das Volk stob auseinander, die Speere der Neger färbten sich rot, Menschenblut floß auf den Plätzen, und hundert mal hundert Männer, Frauen und Kinder kamen an jenem Morgen Atons wegen vor dem Tempel um. Denn als die Priester sahen, daß die Soldaten ernstlich zum Angriff übergingen, ließen sie die Tore der Pylone schließen, und das Volk floh wie eine erschreckte Schafherde in alle Richtungen, von den blutrünstigen Negern verfolgt, die jeden mit ihren Pfeilen töteten, während die Streitwagen durch die Straßen fuhren und die Flüchtlinge aufspießten. Auf der Flucht aber drang das Volk in den Atontempel ein, warf die Altäre um und tötete die Priester, die es erwischte; aber auch die Streitwagen nahmen die Verfolgung bis in den Tempel auf. So ward der Steinboden im Atontempel bald mit Blut und Leichen bedeckt.
Erst die Tempelmauern Ammons sperrten den Truppen Pepitatons den Weg, denn die Neger waren nicht gewohnt, Mauern zu erstürmen, und ihre Waffen vermochten nichts gegen die Kupferpforten. Die Soldaten umringten daher den Tempel; dabei nagelten von den Mauern die Flüche der Priester und die Pfeile und Speere der Tempelwächter auf sie herab, so daß mancher Neger nutzlos vor dem Tempel fiel. Vom Tempelplatz aber stieg ein dicker Blutgeruch empor, und die Fliegen kamen in Scharen angeflogen. Pepitaton ließ sich in seiner vergoldeten Sänfte auf den Platz hinaustragen und ward bei dem fürchterlichen Gestank grau im Gesicht, so daß Sklaven Weihrauch um ihn herum verbrennen mußten. Beim Anblick der unzähligen Leichen weinte er und zerriß sich die Kleider. Sein Herz aber war seiner Sudankatze Mimo wegen voller Unruhe, und deshalb sprach er zu seinen Hauptleuten: »Ich fürchte, der Zorn des Pharao wird uns furchtbar treffen; denn ihr habt das Bildnis Ammons nicht gestürzt, hingegen strömt Blut in den Rinnsteinen. Doch was geschehen ist, ist nicht mehr zu ändern. Deshalb muß ich mich eilends zum Pharao begeben, um Meldung über das Geschehene zu erstatten, und ich werde versuchen, Fürbitte für euch einzulegen. Gleichzeitig kann ich einen Abstecher nach Hause machen, nach meiner Katze sehen und die Kleider wechseln; denn der Gestank hier ist fürchterlich und frißt sich bis in die Haut hinein. Beruhigt inzwischen die Neger mit Speisen und Bier, denn gegen die Tempel mauern vermögen wir heute nichts mehr. Als erfahrener Feldherr weiß ich, daß wir nicht gerüstet sind, um Mauern zu brechen. Aber die Schuld liegt nicht bei mir, denn der Pharao hat mit keinem Wort die Möglichkeit einer Belagerung des Tempels angedeutet. Deshalb mag er nun selbst beschließen, was zu tun ist.«
Und an diesem Tag ereignete sich nichts Besonderes mehr. Die Hauptleute zogen ihre Truppen von den Mauern und Leichenhaufen zurück und ließen den Troß vorfahren, um die Neger zu speisen.
Hierauf sah man jede Nacht Feuersbrünste in der Stadt. Häuser wurden ausgeplündert, bemalte Neger tranken Wein aus goldenen Bechern und ruhten in weichen Himmelbetten. Tag und Nacht aber verfluchten die Priester von den Tempelmauern den falschen Pharao und alle, die Ammon verleugneten. Das ganze Gesindel der Stadt tauchte aus den Verstecken auf: Diebe, Grabplünderer und Straßenräuber, die keine Götter und nicht einmal Ammon fürchteten. Inbrünstig segneten sie Aton, besuchten den inzwischen rasch gereinigten Tempel und empfingen aus den Händen der überlebenden Priester das Kreuz des Lebens, das sie als schützendes Zaubermittel um den Hals banden, um nach Belieben in den dunklen Nächten rauben, plündern und morden zu können. Nach diesen Tagen und Nächten ward Theben jahrelang nicht mehr, was es gewesen, sondern seine Macht und Reichtümer zerrannen wie Blut, das aus einem vielfach verwundeten Leib tropft.
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Haremhab wohnte in meinem Haus, wachte und magerte ab, seine
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