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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Augen verdüsterten sich von Tag zu Tag, und er kümmerte sich nicht mehr um das Essen, das Muti ihm morgens bis abends vorsetzte, denn wie so viele Frauen war auch Muti höchst entzückt von Haremhab und verehrte ihn mehr als mich; denn ich war ein schwacher Mann ohne Muskeln, wenn auch mit bedeutenden Kenntnissen. Haremhab sprach: »Was gehen mich Ammon oder Aton an? Aber sie lassen meine Soldaten verwildern und zu Raubtieren werden, und ich werde viele Rücken auspeitschen und viele Köpfe abhauen lassen müssen, bevor ich sie wieder zur Vernunft bringen kann. Das ist sehr schade, denn ich kenne viele von ihnen bei Namen, kenne ihre Verdienste und weiß, daß sie gute Krieger sind, wenn man sie nur in Zucht hält und genügend ausschimpft.«
    Kaptah aber wurde von Tag zu Tag reicher. Sein Gesicht glänzte von Fett, und er verbrachte auch die Nächte im »Krokodilschwanz«; denn die Unteroffiziere und Hauptleute bezahlten ihre Getränke in Gold, und in den Nebenräumen der Weinstube häuften sich geraubte Schätze, Schmuck, Schreine und Teppiche, die die Kunden, ohne nach dem Preis zu fragen, gegen Wein versetzten. Keiner griff dieses Haus an. Die Räuber machten einen weiten Bogen darum, weil es von den Soldaten Haremhabs bewacht wurde. Kaptah hielt sie von morgens bis abends berauscht, so daß sie das Haus getreulich bewachten, den Segen der Götter über seinen Namen herabriefen und das Haupt eines auf frischer Tat ertappten Straßenräubers, anderen Unruhestiftern zur Warnung, verkehrt über die Tür hängten.
    Schon am dritten Tag war mein Vorrat an Arzneien erschöpft, und ich konnte auch für Gold keine mehr kaufen, weshalb meine ganze Kunst machtlos gegen die Krankheiten war, die das faulende Wasser und die Leichen im Armenviertel verbreiteten. Ich war abgehetzt, mein Herz wie eine Wunde in meiner Brust, und meine Augen waren gerötet vom vielen Wachen. Deshalb hatte ich schließlich alles satt, die Armen und die Wunden und Aton, und begab mich in den »Krokodilschwanz«, wo ich gemischte Weine trank, bis ich einschlief, um am Morgen von Merit geweckt zu werden und zu entdecken, daß ich auf ihrem Teppich geschlafen und sie an meiner Seite geruht hatte. Ich schämte mich sehr und sprach zu ihr:
    »Das Leben ist wie eine kalte Nacht, und es ist gewiß schön, wenn zwei Einsame einander in der kalten Nacht wärmen, wenn auch ihre Hände und Augen einander der Freundschaft wegen belügen.«
    Sie gähnte schläfrig und meinte: »Wieso weißt du denn, daß meine Hände und Augen lügen? Aber ich habe es wahrlich satt, den Soldaten auf die Finger zu schlagen und auf die Beine zu treten, und an deiner Seite, Sinuhe, ist in dieser Stadt der einzige sichere Platz, wo niemand mich zu berühren wagt. Warum es so ist, verstehe ich zwar nicht und bin beinahe gekränkt, denn man nennt mich ein schönes Weib, und auch mein Bauch ist makellos, obwohl du ihn nicht hast betrachten wollen.«
    Ich trank das Bier, das sie mir reichte, um die Gedanken in meinem kranken Kopf zu klären, und ich wußte ihr nichts zu sagen. Sie lächelte mich an, obwohl immer noch Kummer auf dem Grund ihrer braunen Augen wohnte, wie schwarzes Wasser in der Tiefe eines Brunnens. Und sie sagte: »Sinuhe, ich möchte dir helfen, wenn ich könnte; denn ich weiß, daß es in dieser Stadt ein Weib gibt, das dir tief verschuldet ist. In diesen Tagen öffnen sich die Türen nach außen, und viele alte Schulden werden in den Straßen eingetrieben. Vielleicht täte es auch dir gut, jene Schuld einzuziehen, damit du nicht länger in jeder Frau eine Wüste sehen mußt, die dich versengt.«
    Ich ging meiner Wege, und ihre Worte begannen in mir zu keimen, denn auch ich war nur ein Mensch, und in jenen Tagen war mein Herz von Blut und Wunden geschwollen, und ich hatte den Rausch des Hasses gekostet, so daß ich mich vor mir selber fürchtete. Deshalb begannen ihre Worte wie eine Flamme in mir zu schwelen, und ich erinnerte mich an den Tempel des Katzengottes und an das Haus daneben, obgleich die Zeit bereits wie Sand über meine Erinnerungen geronnen war. Aber in diesen Schreckenstagen zu Theben standen alle Toten aus ihren Gräbern auf. Ich entsann mich meines zärtlichen Vaters Senmut und meiner guten Mutter Kipa und fühlte beim Gedanken an sie Blutgeschmack im Mund; denn in diesen Tagen gab es keinen so Reichen oder Vornehmen in Theben, daß er völlig sicher gewesen wäre, und ich brauchte daher nur einige Soldaten zu dingen, um meinen Willen auszuführen.

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