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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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wieder wie Aasgeier über sich. Das ist ein Unrecht, und zwar das gottloseste Unrecht von allen, die der Pharao begangen hat. Dergleichen ist früher nie vorgekommen, und seine Steuereinhebung sowie der Verlust Syriens haben das Land arm gemacht; das merkwürdigste aber dabei ist – und das ist gewiß ein Verdienst der Götter –, daß in dem verarmten Land die Armen noch ärmer als früher, die Reichen hingegen noch reicher als zuvor werden; und dagegen kann auch der Pharao nichts tun. Freue dich also, Sinuhe! Du bist tatsächlich reich; und wenn ich dir ein Geheimnis verraten soll, das ja letztlich das deinige ist, so stammt dein Reichtum aus dem Getreidehandel.«
    Nach diesen Worten wandte sich Kaptah so eifrig dem Trinken zu, daß der Wein aus seinen Mundwinkeln floß und die Kleider befleckte; aber das ließ ihn unbekümmert, und er erklärte, die Kleider auf die Rechnung der Unkosten zu setzen oder als Geschenk für einen Getreidemakler aufzuschreiben und auf diese Weise mehrmals ihren Preis zu verdienen. Dann begann er mit seinen Getreidegeschäften zu prahlen:
    »Unser Skarabäus ist seltsam, Herr, indem er mich gleich am ersten Tag nach unserer Rückkehr von den langen Reisen in die Weinstube der Getreidehändler führte, wo sich die Gäste nach großen Umsätzen zu betrinken pflegen. So begann auch ich Getreide für deine Rechnung aufzukaufen und erzielte bereits im ersten Jahr große Gewinne, weil Am… ich meine, weil, wie du wohl weißt, gewisse umfangreiche Bodenflächen ungepflügt und unbesät blieben. Das Merkwürdige am Getreide ist jedoch, daß man es schon kaufen und verkaufen kann, ehe der Strom gestiegen, ja noch bevor der Samen in die Erde kommt. Noch merkwürdiger ist es, daß die Getreidepreise wie durch einen Zauber von Jahr zu Jahr steigen, und ein Getreidekäufer daher niemals verlieren, sondern immer nur gewinnen kann. Deshalb beabsichtige ich, in Zukunft überhaupt kein Getreide zu veräußern, sondern alle Vorräte aufzukaufen und zu lagern, bis ein Getreidemaß gegen Gold eingetauscht werden kann, was zweifellos eintreffen wird, wenn es so weitergeht. Denn selbst alte Getreidehändler trauen ihren Augen nicht mehr, zerreißen sich die Kleider und heulen vor Ärger, wenn sie an die großen Getreidemengen denken, die sie in ihrer Dummheit verkauft haben und an denen sie durch Zurückhalten das Mehrfache verdient hätten.«
    Kaptah betrachtete mich forschend, trank und schenkte auch Merit und mir von neuem Wein ein, worauf er mit ernster Miene sprach: »Es ist jedoch nicht ratsam, daß man sein ganzes Gold auf einen einzigen Wurf setzt. Deshalb, Herr, habe ich deine Gewinne gleichmäßig verteilt und spiele sozusagen mit vielen Würfeln für deine Rechnung. Deshalb, Herr, bist du jetzt sehr reich, und ich habe dir nicht mehr als früher gestohlen, nicht einmal die Hälfte von dem, was ich dir durch meine Klugheit erworben; ja kaum ein Drittel von allem mause ich dir, so daß ich mich oft wegen meiner Weichherzigkeit und großen Ehrlichkeit selbst verhöhne und den Göttern danke, daß ich keine Frau und Kinder habe, die mich tadeln und mir Vorwürfe machen, weil ich dir nicht mehr nehme. Und dennoch kenne ich keinen Menschen, den zu bestehlen dankbarer wäre, als dich, mein lieber, gesegneter Herr Sinuhe!«
    Merit lehnte sich auf ihre Matte zurück, betrachtete mich lächelnd und lachte über mein verdutztes Gesicht, als ich mich vergeblich mühte, alles, was Kaptah äußerte, zu verstehen. Er erklärte ferner: »Wisse, Herr, daß ich, wenn ich von deinen Gewinnen und Reichtümern spreche, den Reingewinn und das Vermögen meine, was nach Abzug aller Steuern übrigbleibt. Auch habe ich vom Gewinn alle die Geschenke abgezogen, die ich den Steuereinhebern wegen meiner syrischen Buchführung machen mußte, damit sie bei der Prüfung meiner Zahlen ein Auge zudrücken. Diese Weinmengen sind nicht gering; denn die Leute sind schlau und voll Ausdauer und werden daher fett in ihrem Beruf. Die heutige Zeit ist für die Steuereinheber eine so wunderbare Zeit, wie sie eine solche noch nie erlebt haben, und ich hätte wahrlich nichts dagegen, Steuereintreiber zu sein, wenn ich nicht bereits Kaptah, der Vater des Getreides und der Freund der Armen wäre. Ich habe nämlich hie und da Getreide an die Armen verteilen lassen, damit sie meinen Namen segnen sollen. Denn Vorsicht ist eine gute Tugend, und in unruhigen Zeiten ist es ein Vorteil, mit den Armen auf gutem Fuß zu stehen. Aber auch das habe ich

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