Sinuhe der Ägypter
meine Weinschenke wird er verfluchen, weshalb ich sie am besten gleich auf Merit überschreiben lasse, falls Merit darauf eingeht. Ich freue mich sehr darüber, daß ein so großer Teil deiner Besitztümer auf fremde Namen überschrieben ist! Denn so können die Priester nichts von diesem erfahren und ihn nicht verfluchen, da nicht einmal die Steuereintreiber es herausbekommen haben, wenn schon der von ihnen geplünderte Boden kahler ist als der Schädel eines Glatzkopfes. Damit will ich dich jedoch nicht beleidigen, Herr; denn jetzt erst, da du des Weines wegen die Perücke abgenommen, sehe ich, daß du eine kleine Glatze hast! Wenn du willst, kann ich dir eine durch besondere Zauberei hergestellte Salbe verschaffen, die das Haar wieder wachsen und gleichzeitig lockig werden läßt. Ich schenke sie dir und schreibe den Betrag nicht in die Bücher ein; denn ich erhalte sie aus unserem eigenen Laden und besitze viele Zeugnisse über ihre wunderbaren Wirkungen.«
Solche Dinge plapperte Kaptah, um Zeit zu gewinnen und mich von meinem Entschluß abzubringen. Doch als er merkte, daß ich darauf beharrte, fluchte er und rief zahlreiche Götter an, deren Namen er auf unseren Reisen gelernt hatte, und sagte wütend: »Bist du von einem tollen Hund gebissen oder von einem Skorpion gestochen worden, Herr? Wahrlich, erst glaubte ich, du wolltest einen schlechten Witz machen! Dein Beschluß wird uns an den Bettelstab bringen, wenn uns nicht der Skarabäus trotz allem hilft. Um ehrlich zu sein, muß ich gestehen, daß auch ich nicht gern ausgemergelte Menschen sehe, sondern den Blick von ihnen abwende; und ich wollte, du tätest das gleiche, Herr! Was der Mensch nicht sieht, braucht er nicht zu wissen; und um mein Gewissen zu beruhigen, habe ich Getreide unter die Armen verteilt, weil ich, dank der verrückten Steuerberechnung des Pharao, gleichzeitig großen Nutzen daraus zog. Das Unangenehmste an deinen Worten aber ist, daß du mir befiehlst, mich auf mühselige Reisen zu begeben und durch Lehm zu stapfen, so daß ich vielleicht ausgleiten und in einen Bewässerungsgraben fallen werde und du mein Leben auf dem Gewissen haben wirst, Herr! Wahrlich, ich bin ein alter, müder Mann mit steifen Gliedern und würde mein bequemes Lager und Mutis Suppen und Braten schmerzlich vermissen, und beim Gehen komme ich leicht außer Atem.«
Aber ich ließ mich nicht beirren und sagte: »Kaptah, du lügst noch mehr als früher! In diesen Jahren bist du nicht gealtert, sondern hast dich im Gegenteil verjüngt, deine Hände zittern nicht mehr wie einst, und dein Auge war nicht rot, als du hereinkamst, sondern ist es erst jetzt vom allzu reichlichen Weingenuß geworden. Deshalb schreibe ich als Arzt diese beschwerliche Fahrt mit all ihren Mühsalen vor, weil ich dich liebe und du viel zu beleibt bist, was dein Herz anstrengt und deinen Atem beengt. Ich hoffe, daß du auf dieser Reise abnehmen und bei deiner Rückkehr wie ein anständiger Mensch aussehen wirst, damit ich mich nicht der Fettleibigkeit meines Dieners zu schämen brauche. Denke daran, Kaptah, wie freudig du einst auf den staubigen Wegen Babylons wandertest, wie gerne du auf dem Rücken eines Esels über die Berge rittest und wie froh du warst, in Kadesch wieder von dem Tiere zu steigen. Wahrlich, wenn ich jünger wäre, das heißt, wenn ich nicht hier zahlreiche wichtige Aufträge für den Pharao zu erledigen hätte, würde ich dich selber auf dieser Reise begleiten, um mein Herz zu erfreuen; denn viele Leute werden deinen Namen segnen.«
Wir stritten uns nicht mehr, sondern Kaptah fügte sich meinem Entschluß, und wir blieben bis zum späten Abend sitzen und tranken Wein; auch Merit hielt mit und entblößte ihre braunen Knie, damit ich sie mit meinen Lippen berühre. Kaptah erzählte uns seine Erinnerungen von den Wegen und Dreschböden Babyloniens; und wenn er wirklich alles, was er schilderte, vollführt hätte, müßte ich jedenfalls Mineas wegen für seine Streiche sowohl blind als taub gewesen sein. Ich vergaß Minea nicht, obwohl ich die Nacht auf Merits Matte verbrachte und mit ihr der Liebe genoß, bis mein Herz sich erwärmte und meine Einsamkeit dahinschmolz. Aber ich nannte sie nicht meine Schwester, sondern tat alles nur, weil sie meine Freundin war; und was sie für mich tat, war das Freundschaftlichste, was eine Frau einem Mann erweisen kann. Deshalb wäre ich auch bereit gewesen, den Krug mit ihr zu zerschlagen; aber sie ging nicht darauf ein, weil sie in einer
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