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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Knochenpfriemen durchbohrt. Unwillkürlich hob ich die Hände und begann die gegen Zauberei schützenden Sprüche zu murmeln, die ich zur Zeit meines Studiums für den ersten Priestergrad erlernt hatte. Hrihor betrachtete mich lächelnd, und seine Hand, die die Lampe hielt, zitterte nicht. »Glaubst du nun«, fragte er, »daß die Zeit des Pharao Echnaton bald abgelaufen sein wird, nachdem wir dieses Bild im Namen Ammons verhext und ihm Haupt und Herz mit den heiligen Pfriemen des Gottes durchbohrt haben? Doch wirkt der Zauberspruch nur langsam, und es wird noch viel Böses geschehen; denn zweifellos vermag ihn sein Gott gegen unseren Zauber einigermaßen zu schützen. Deshalb will ich, nachdem du dies gesehen, noch mit dir reden.«
    Er schloß sorgfältig alle Türen, führte mich in seine Zelle zurück und füllte meinen Becher von neuem. Aber der Wein rann mir über das Kinn, und der Becher klapperte gegen meine Zähne; denn ich wußte, daß ich mit eigenen Augen einen Zauber gesehen hatte, der stärker als jeder andere war und den noch kein Mensch hatte abwenden können. So furchtbar ist dieser Zauber mit Wachsbildnissen, daß die Ammonpriester ihn in ihrem Tempel nicht laut zu nennen wagten, und er nur aus alten Schriften zu erlernen war. Trotzdem gab es viele Leute, die an seiner Wirksamkeit Zweifel hegten, nachdem zweitausend Jahre seit dem Bau der Pyramiden verstrichen waren und die Welt nicht mehr jung und voll Zauberei wie damals war. Hrihor sprach:
    »Wie du siehst, erstreckt sich die Macht Ammons bis nach Achetaton. Frage mich nicht, wie wir zu seinen Kopfhaaren und abgeschnittenen Nägeln gekommen sind, um sie in das Wachsbildnis einzufügen! Soviel aber kann ich dir verraten: Wir haben sie nicht für Gold erstanden, sondern sie Ammons wegen erhalten.«
    Er betrachtete mich forschend und sagte schließlich, indem er jedes Wort abzuwägen schien: »Die Kraft Ammons wächst Tag für Tag, wie du vorhin bei der Heilung der Kranken im Namen Ammons mit eigenen Augen festgestellt hast. Mit jedem Tag wirkt sich der Fluch Ammons über Ägypten fürchterlicher aus. Je länger der Pharao lebt, um so mehr muß das Volk seinetwegen leiden – und der Zauber wirkt langsam. Was würdest du sagen, Sinuhe, wenn ich dir ein Mittel gäbe, welches das Kopfweh des Pharao für immer heilen würde, so daß er nie mehr zu leiden brauchte?«
    »Der Mensch ist immer Leiden ausgesetzt«, erwiderte ich. »Nur ein Toter fühlt keine Schmerzen mehr.«
    Er betrachtete mich mit brennenden Augen, und sein Wille lähmte mich, so daß ich keine Hand zu heben vermochte, während er sprach: »Vielleicht verhält es sich so. Aber dieses Mittel hier hinterläßt keinerlei Spuren, niemand wird dich anklagen, und nicht einmal die Balsamierer werden etwas Ungewöhnliches in seinen Gedärmen entdecken. Du brauchst nichts von alldem zu wissen, sondern reichst dem Pharao bloß eine Arznei, die sein Kopfweh heilt. Wenn er sie eingenommen hat, entschläft er und wird nie mehr Schmerzen oder Kummer leiden.« Er hob die Hand, wie um meinem Einwand zu begegnen, und fügte hinzu: »Ich will dich nicht durch Gold bestechen; aber wenn du es tust, wird dein Name für alle Zeiten gesegnet sein und dein Leib unversehrt für die Ewigkeit erhalten bleiben. Auch werden dich zu Lebzeiten unsichtbare Hände schützen, und es gibt keinen menschlichen Wunsch, der dir nicht erfüllt sein soll. Das alles gelobe ich dir; denn ich besitze die Macht, es dir zu versprechen.«
    Er hob die Hände und betrachtete mich mit brennenden Augen, deren Blick ich nicht auszuweichen vermochte. Sein Wille lähmte mich, so daß ich mich nicht bewegen, nicht erheben, nicht einmal die Hände ausstrecken konnte. Er sprach: »Wenn ich sage: ›Erhebe dich!‹, erhebst du dich. Wenn ich sage: ›Hebe deine Hände!‹, hebst du sie. Aber ich kann dir nicht befehlen, dich vor Ammon zu verneigen, falls du es nicht selbst willst, und ich kann dich auch nicht dazu bringen, Handlungen auszuführen, die gegen den Willen deines Herzens sind. Dies beschränkt meine Macht über dich. Deshalb beschwöre ich dich um Ägyptens willen: Nimm das Mittel, das ich dir gebe, Sinuhe, und heile seinen Kopfschmerz für ewig.«
    Er ließ die Hände sinken, worauf ich mich wieder zu bewegen und den Weinbecher an die Lippen zu führen vermochte und nicht mehr zitterte. Ich spürte den Duft der Myrrhe im Mund und in der Nase und sprach: »Hrihor, ich verspreche dir nichts, aber gib mir für alle Fälle das Mittel.

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