Sinuhe der Ägypter
Zauberer auslieferte.« Und zu mir sprach sie: »Diese Zauberer waren durchaus keine schlechten Menschen; sie weilten auch nicht gerne hier, sondern sehnten sich aus dem Palast in ihre Dschungel und Strohhütten zurück. Sie hätten nicht für die Taten meiner Mutter bestraft werden dürfen.«
So begegnete ich der Prinzessin Baketaton, und sie sah mich und redete mit mir, und ihre stolze Haltung und ihr schönes Haupt machten einen tiefen Eindruck auf mich. Sie fragte mich über Haremhab aus, verhöhnte meinen Freund und meinte: »Haremhab ist niederer Abstammung, und seine Redensweise ist roh; aber wenn er sich eine Frau nähme, könnte ihm ein vornehmes Geschlecht entsprießen. Kannst du, Sinuhe, mir sagen, weshalb er sich nicht verheiratet hat?«
Ich entgegnete: »Du bist nicht die erste, die diese Frage stellt, königliche Baketaton; deiner Schönheit wegen aber will ich dir anvertrauen, was ich noch keinem anderen verraten habe. Da Haremhab als Jüngling zum erstenmal in den Palast kam, erblickte er unversehens den Mond. Seitdem hat er keine Frau mehr mit der Absicht betrachten können, den Krug mit ihr zu zerbrechen. Wie aber steht es mit dir, Baketaton? Es gibt keinen Baum, der immer nur blüht, sondern jeder Baum muß auch einmal Früchte tragen, und als Arzt sähe ich gerne deine Lenden in Fruchtbarkeit schwellen.«
Sie warf stolz den Kopf zurück und sagte: »Du weißt ganz gut, Sinuhe, daß mein Blut zu heilig ist, um selbst mit dem vornehmsten Blute Ägyptens vermischt zu werden. Deshalb hätte mein Bruder besser daran getan, mich nach gutem altem Brauch zur Gemahlin zu nehmen, und ich hätte ihm sicher schon längst einen Sohn geboren. Außerdem würde ich, wenn ich die Macht dazu besäße, diesem Haremhab die Augen blenden lassen; denn sein Wagnis, die Blicke zum Mond zu erheben, war ein schimpfliches Beginnen. Auch gestehe ich dir offen, Sinuhe, daß der bloße Gedanke an einen Mann mich abschreckt; denn die Berührung der Männer ist roh und schamlos, und ihre harten Glieder zermalmen eine zarte Frau. Deshalb dünkt mich, man übertreibt sehr die Freude, die ein Mann einem Weibe bereiten kann.«
Aber während sie so sprach, leuchteten ihre Augen vor Aufregung und sie atmete heftig, und ich sah, daß ihr das Gespräch großen Genuß bereitete. Deshalb reizte ich sie noch mehr, indem ich sagte: »Ich habe gesehen, wie mein Freund Haremhab allein durch die Spannung seiner Muskeln einen über den Arm gestreiften Kupferring zum Bersten brachte. Seine Glieder sind lang und stattlich, und seine Brust dröhnt wie eine Trommel, wenn er sich im Zorn mit den Fäusten daraufschlägt. Auch laufen ihm die Hofdamen wie Katzen nach, und er kann mit jeder machen, was ihm beliebt.«
Der geschminkte Mund der Prinzessin Baketaton zitterte, und ihre Augen sprühten Feuer, als sie heftig äußerte: »Sinuhe, deine Rede ist mir äußerst widerwärtig, und ich begreife nicht, warum du mit deinem Haremhab so großtust. Jedenfalls wurde er mit Mist zwischen den Zehen geboren, und schon sein Name mißfällt mir. Wahrlich, ich verstehe nicht, wie du neben dem Leichnam meiner Mutter so zu mir sprechen kannst!«
Ich wollte sie nicht daran erinnern, wer zuerst die Rede auf Haremhab gebracht hatte. Deshalb tat ich, als empfände ich Reue und sagte: »O Baketaton, verbleibe ruhig ein blühender Baum; denn dein Leib altert nicht, und du wirst noch manches Jahr blühen! Aber besaß deine Mutter wirklich keine vertraute Hofdame, die bei ihrer Leiche wehklagen und weinen könnte, bis das Haus des Todes sie holen läßt und die bezahlten Klageweiber sie beweinen und sich das Haar raufen werden? Wenn ich es vermöchte, würde ich selbst weinen; aber ich bin ein Arzt, und meine Tränen sind längst beim Anblick des Todes versiegt. Das Leben ist ein heißer Tag, Baketaton, vielleicht ist der Tod dafür eine kühle Nacht. Das Leben ist ein seichtes Gewässer, Baketaton, vielleicht ist der Tod eine klare Meerestiefe.«
Sie sagte: »Sprich nicht über den Tod mit mir, Sinuhe! Noch schmeckt das Leben süß in meinem Mund. Aber es ist wahrlich eine Schande, daß niemand bei der Leiche meiner Mutter weint. Ich selbst kann natürlich nicht weinen; denn es schickt sich nicht für meine Würde, und die Farbe würde von meinen Wimpern herabrinnen und die Schminke meiner Wangen zerstören. Aber ich will eine Hofdame hersenden, um mit dir zu weinen, Sinuhe.«
Ich wagte einen Scherz und sagte: »Göttliche Baketaton, deine Schönheit hat mich
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