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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Gib mir diese barmherzige Arznei, die vielleicht besser als Mohnsaft ist! Vielleicht kommt die Stunde, da er selbst am liebsten einschlafen möchte, um nicht wieder zu erwachen.«
    Er reichte mir das Mittel in einem winzigen Fläschchen aus buntem Glas und sagte: »Die Zukunft Ägyptens ruht in deinen Händen, Sinuhe. Es verstößt zwar gegen Brauch und Sitte, daß jemand die Hand gegen den Pharao erhebt, aber die Not und die Ungeduld des Volkes sind groß, und der Augenblick könnte kommen, da jemand sich besinnt, daß auch der Pharao sterblich ist und daß sein Blut ausrinnt, wenn man ihm die Haut mit einem Speer oder Messer öffnete. Das darf jedoch niemals geschehen, weil dann die Macht der Pharaonen wanken würde. Deshalb ruht das Schicksal Ägyptens jetzt in deinen Händen, Sinuhe.«
    Ich steckte das Mittel in den Gürtel und sagte spöttisch: »Am Tag meiner Geburt ruhte das Schicksal Ägyptens vielleicht in schwarzen Fingern, welche Binsen zusammenknüpften. Aber es gibt Dinge, die nicht einmal du, Hrihor, kennst, obwohl du glaubst, alles zu wissen. Jedenfalls habe ich das Mittel nun bei mir. Doch vergiß nicht, daß ich dir nichts Bestimmtes versprochen habe!«
    Er lächelte, hob die Hände zum Abschied und sagte wie zuvor: »Dein Lohn soll groß sein.« Alsdann geleitete er mich durch die Gänge, ohne etwas vor mir zu verbergen; denn seine Augen lasen in den Herzen der Menschen, und er wußte daher, daß ich ihn nicht anzeigen würde. Darum kann ich berichten, daß die Höhlen Ammons unter dem großen Tempel liegen; doch wie man hineingelangt, ist ein Geheimnis, das ich nicht zu verraten wüßte.

    6

    Einige Tage darauf verschied in dem goldenen Haus die große königliche Mutter Teje. Eine kleine Sandschlange biß sie beim Ausnehmen der Vogelnetze im Garten des Palastes. Ihr eigener Arzt war gerade nicht zur Stelle, wie ja gewöhnlich keine Hilfe da ist, wenn sie am dringendsten benötigt wird. Deshalb holte man mich aus meinem Haus in Theben; doch als ich in dem goldenen Haus ankam, konnte ich nur noch ihren Tod feststellen. Eine Schuld daran konnte man ihrem Leibarzt nicht zuschreiben. Der Biß einer Sandschlange ist immer tödlich, falls man nicht, ehe der Puls hundertmal geschlagen, die Wunde öffnet und die Adern oberhalb des Bisses abbindet.
    Der Sitte gemäß mußte ich in dem goldenen Haus bleiben, um den Leichnam den Trägern aus dem Haus des Todes zu übergeben. Ich stieß dabei auch auf den düsteren Priester Eje, der bei der Leiche stand, die aufgedunsenen Wangen der königlichen Mutter mit den Händen berührte und sagte: »Es war höchste Zeit für sie, zu sterben; denn sie war eine abstoßende Alte, die Ränke gegen mich schmiedete. Ihre eigenen Untaten haben sie verurteilt, und ich hoffe, daß das Volk sich nun nach ihrem Tod beruhigen werde.« Ich glaube jedoch nicht, daß Eje sie ermordet hat. Das hätte er kaum zu tun gewagt. Gemeinsame Verbrechen und dunkle Geheimnisse verbinden die Menschen stärker als Liebe, und ich weiß, daß Eje sie trotz seinen gefühllosen Worten nach ihrem Tod vermißte; denn sie hatten sich im Lauf der Jahre aneinander gewöhnt.
    Als sich die Kunde vom Tod der königlichen Mutter in Theben verbreitete, zog das Volk seine Feiertagskleider an und versammelte sich hocherfreut auf den Straßen und Plätzen. Prophezeiungen gingen von Mund zu Mund, und zahlreiche heilige Weiber tauchten im Volk auf, um neue schlimme Dinge vorauszusagen. Viele Leute versammelten sich auch vor den Mauern des goldenen Hauses. Um das Volk zu beschwichtigen und seine Gunst zu gewinnen, ließ Eje die Negerzauberer der Königin Teje durch Peitschenhiebe aus den Höhlen des goldenen Hauses vertreiben. Es waren ihrer vier und dazu eine Hexe, dick und häßlich wie ein Flußpferd; die Wächter jagten sie mit ihren Peitschen durch die Papyruspforte hinaus, worauf das Volk sich auf sie warf und sie in Stücke riß, wogegen auch ihre Zauberkunst sie nicht zu schützen vermochte. Ferner ließ Eje in den Höhlen ihre sämtlichen Zauberwerkzeuge, Arzneien und heiligen Baumstrünke verbrennen, was ich bedauerte, weil ich sie gerne einer genauen Prüfung unterzogen hätte.
    Im Palast gab es niemand, der den Tod der königlichen Mutter und das Schicksal der Zauberer und der Hexe beweint hätte. Zwar trat die Prinzessin Baketaton zur Leiche ihrer Mutter, berührte mit ihren schönen Händen deren dunkle Finger und sagte: »Dein Mann hat schlecht gehandelt, Mutter, indem er dem Volk deine schwarzen

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