Sinuhe der Ägypter
Streitwagen am Wüstenrand Syriens erschienen, und vergeudeten viel Zeit, um die Zahl der Streitwagen und den Zweck des Angriffs auszukundschaften.
Dieser aber war außer Haremhab niemand bekannt, und auch ihm war er nicht klar bewußt. Später erzählte er mir, er habe nur die Absicht verfolgt, im besten Falle die Wasservorräte der Hetiter in der Wüste zu vernichten, um dadurch deren Angriff stören und um ein Jahr verzögern zu können und inzwischen seine eigenen Truppen auszubilden und für einen großen Krieg auszurüsten. Aber der überraschende Erfolg berauschte ihn, und seine Streitwagenlenker wurden von ihren billigen Siegen geblendet. Deshalb fuhr er mit seinen Streitwagen wie ein Sturmwind geradenwegs auf Gaza, fiel den Belagerern in den Rücken, sprengte sie auseinander, vernichtete ihr Kriegsgerät und zündete ihre Lager an. Gaza selbst erreichte er jedoch nicht; denn als die Belagerer die geringe Zahl seiner Streitwagen wahrnahmen, wandten sie sich gegen ihn, und der mürrische, halsstarrige Befehlshaber wollte bei der herrschenden Verwirrung nicht einmal ihm die Tore Gazas öffnen.
Hätten die Belagerer über Streitwagen verfügt, so wäre Haremhab verloren gewesen. Aber die Streitwagen Azirus und der Hetiter waren in kleinen Abteilungen über ganz Syrien verstreut, weil sie für die Belagerung von Gaza überflüssig waren und die Pferde vor dem Großangriff auf Ägypten Ruhe und Erholung brauchten. Daher gelang es Haremhab, sich in die Wüste zurückzuziehen und unterwegs die Wasservorräte am syrischen Wüstenrand zu vernichten, bevor die rasenden Hetiter genügend Wagen sammeln und gegen ihn schicken konnten. Vorsichtig, wie sie waren, wollten sie ihre kostbaren Kampfgefährte nicht in kleinen Gruppen gefährden, sondern in genügenden Mengen einsetzen, um des Sieges gewiß zu sein, obgleich schon hundert Streitwagen ausgereicht hätten, um Haremhabs von den Kämpfen und langen Märschen erschöpfte Truppen aufzureiben.
Haremhab hegte daher die richtige Vermutung, daß sein Falke mit ihm sei, und in der Erinnerung an den brennenden Baum, den er einst auf dem Berge Sinai gesehen, sandte er seinen Speerwerfern und Bogenschützen den Befehl, sich in Eilmärschen in die Wüste hinaus zu begeben und dabei einen von den Hetitern angelegten Weg zu benützen, in dessen Länge Tausende und aber Tausende von Lehmkrügen genügend Wasser für große Mengen Fußvolk enthielten. Damit hatte er sich entschlossen, den Kriegsschauplatz in die Wüste zu verlegen, obgleich sich dieses Gelände besonders gut für Wagenschlachten eignete und die Stärke der Hetiter gerade in ihren Streitwagen lag. Aber ich glaube, daß ihm kein anderer Ausweg blieb; denn nachdem es ihm gelungen war, sich vor den rasenden Hetitern in die Wüste zurückzuziehen, waren er wie auch seine Leute und Rosse so erschöpft, daß sie das Untere Land vielleicht nicht mehr lebend erreicht hätten. Haremhab jedoch wollte seine tapferen Soldaten nicht allein in der Wüste untergehen lassen, sondern beschloß, bei ihnen zu bleiben, und berief daher sein ganzes Heer in die Wüste. Etwas Derartiges war noch nie zuvor geschehen. Als die großen Pharaonen im Lande Naharina Krieg führten, pflegten sie ihre Truppen im Herbst nach den syrischen Hafenstädten zu verschiffen, um von dort aus den Vormarsch auf dem Landweg zu beginnen. Zu jenen Zeiten hatte Syrien jedoch unter ägyptischer Herrschaft gestanden, während Haremhab nur noch Gaza und keine Übermacht zur See besaß.
Alles, was ich hier über Haremhabs ersten Angriff gegen die Hetiter berichtet habe, erfuhr ich von ihm oder von seinen Leuten oder durch die Sagen, die später darüber erzählt wurden. Ich selbst war nicht dabei; wäre ich es gewesen, so würde ich heute sicherlich nicht mehr am Leben sein und diesen Bericht niederschreiben können. Denn nur die kräftigsten und zähesten Leute hatten diesen Kriegszug ausgehalten. Mir hingegen war das Los zuteil, von meiner Sänfte aus nur die Spuren des Wüstenangriffs zu gewahren, als ich dem Feldherrn mit dem Fußvolk in Eilmärschen durch Hitze, Sonnenbrand und beißende Staubwolken folgte. Was ich zu sehen bekam, war hie und da die Leiche eines Kriegers, der von seinem Streitwagen gefallen war und das Genick gebrochen hatte und um dessen schwarzgewordenen Leib sich die Wüstengeier rissen. Im übrigen erblickte ich nur die vertrockneten Kadaver erschöpfter Pferde und zerbrochene Krüge, aus denen das Wasser in den Sand geronnen war, auch
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