Sinuhe der Ägypter
tote hetitische Wächter, welche die Räuber und Freischärler der Wüste unmittelbar nach Haremhabs Vorüberjagen bis auf die Haut ausgeplündert, verstümmelt und als Siegeszeichen um die Vorratslager herum aufgespießt hatten. Es ist aber begreiflich, daß ich weniger von unvergänglicher Ehre und Siegesrausch als von Leiden und Tod berichten kann.
Nachdem wir zwei Wochen lang unter den größten Anstrengungen durch die Wüste gezogen waren, obwohl wir dank der Vorsorge der Hetiter nach jedem Tagesmarsch genügend Wasser vorfanden, sahen wir eines Nachts von einem Berg hinter der Wüste eine Feuersäule emporsteigen, die uns verriet, daß uns Haremhab dort mit seinen Streitwagen erwartete. Jene Nacht in der Wüste hat sich für immer in mein Gedächtnis eingeprägt, weil ich nicht schlafen konnte, sondern wach lag und ohne Unterlaß die Feuersäulen auf dem fernen Berggipfel leuchten, Rauch und Funken speien und mit ihrem roten Schein das Licht der Sterne überstrahlen sah. Nach der Gluthitze der Tage sind die Wüstennächte kalt, und die Soldaten, die wochenlang barfuß durch den Sand zwischen Dornengestrüpp gestapft sind, wimmern und wehklagen im Schlaf, als wären sie von bösen Geistern geplagt. Daher stammt wohl der Volksglaube, die Wüste sei voll Teufel. Jedenfalls weckten uns die Hornstöße bereits am frühen Morgen zum Weitermarsch, obgleich immer mehr Leute, die den Anstrengungen des Zuges unter den schweren Bürden nicht gewachsen waren, zu Boden sanken, um nicht mehr aufzustehen. Das Feuerzeichen Haremhabs trieb uns zur Eile an. Von allen Seiten tauchten kleine Schwärme zerfetzter, schwarzgebrannter Räuber und Freischärler auf, die zu Haremhab stoßen wollten und unsere Ausrüstung, unsere Speere und Ochsenschlitten mit gierigen Augen betrachteten. Sie schlossen sich uns nicht an, sondern folgten nur dem Feuersignal Haremhabs; doch bin ich überzeugt, daß sie uns ebensogern überfallen und ausgeplündert wie den Angriff gegen die Hetiter unternommen hätten.
Als wir uns aber dem Feldlager Haremhabs näherten, sahen wir am ganzen Wüstenhorizont dichte Staubwolken aufwirbeln; denn die Hetiter hatten sich in Bewegung gesetzt, um ihre Wasservorräte zurückzuerobern. Ihre Spähtrupps durcheilten mit ihren Streitwagen die Wüste, griffen unsere Vorhuten an und verbreiteten großen Schrecken unter den Mannschaften, die nicht gewohnt waren, gegen Streitwagen zu kämpfen und überhaupt noch nie zuvor mit Speer und Bogen Menschen getötet hatten. Deshalb gerieten unsere Truppen in große Verwirrung, viele Leute zerstreuten sich in ihrer Angst in der Wüste, und von den Streitwagen herab spießten die Hetiter sie auf ihre Speere. Zum Glück schickte uns Haremhab aus seinem Lager die noch kampffähigen Streitwagen zu Hilfe – und so groß war die Achtung der Hetiter vor den Kriegern Haremhabs, daß sie sich zurückzogen und uns in Ruhe ließen. Es ist aber auch möglich, daß sie sich nicht aus Achtung zurückzogen, sondern daß ihnen befohlen war, uns bloß auszukundschaften und zu stören, ohne sich in einen Kampf einzulassen.
Jedenfalls aber weckte ihr Rückzug große Begeisterung bei unserem Fußvolk; die Speerwerfer schwenkten ihre Speere und riefen ihnen Drohungen nach, während die Bogenschützen den fliehenden Streitwagen nutzlos eine Menge Pfeile nachsandten. Dennoch schielten alle heimlich nach dem Horizont, wo der Staub wie eine Wolkenwand emporstieg, und suchten sich dabei gegenseitig zu ermutigen, indem sie von Haremhab sagten: »Uns droht keine Gefahr; denn sein starker Arm schützt uns! Es hat keine Not mit uns; denn er wird wie ein Falke auf die Hetiter niederstoßen, ihnen die Augen ausreißen und sie blenden!«
Aber wenn sie glaubten, sie dürften in Haremhabs Lager ausruhen, irrten sie sich sehr, und wenn sie sich einbildeten, er werde sie wegen ihres Eilmarsches, auf dem sie sich die Fußsohlen im Wüstensand blutig geschunden hatten, loben, täuschten sie sich nicht weniger. Denn Haremhabs Augen waren vor Müdigkeit blutunterlaufen, sein Gesicht vor Wut verzerrt, als er uns empfing, und er schwang seine von Blut und Staub beschmutzte goldene Peitsche, als er uns anschnauzte: »Wo habt ihr die ganze Zeit vertrödelt, ihr Mistkäfer? Wo habt ihr gesteckt, ihr Söhne des Teufels? Wahrlich, ich möchte eure Schädel schon morgen im Sand bleichen sehen, so sehr schäme ich mich bei eurem Anblick! Wie Schildkröten kommt ihr gekrochen und stinkt nach Schweiß und Dreck, daß ich mir die
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